Das Schwert der Keltin
grimmig gefletschten Zähnen aus seinem Versteck hervor und warf sich auf den am nächsten stehenden Soldaten.
»Longinus, nein!«
Es war der Dekurio, der diese Worte brüllte, und er lenkte damit sowohl die Aufmerksamkeit des Tieres als auch die des Mannes auf sich. Doch zu spät. Eine Klinge blitzte auf, und mit geradezu unwirklicher Schnelligkeit grub sie sich der Länge nach in den Körper jenes alten Hundes, der schon mehr Schlachten unversehrt überstanden hatte als die meisten der heute noch lebenden Krieger. Ein Dutzend Rippen wurden durchtrennt, und zischend entwich die Luft aus dem darunter liegenden Lungenflügel. Wie eine Fontäne spritzte das Blut heraus, regnete zu Boden, besprengte das Heidekraut. Plötzlich totenbleich flüsterte der Soldat der Hilfstruppe: »Julius, es tut mir Leid…«, doch seine Worte gingen in dem daraufhin einsetzenden Geheul des Hundes unter.
Der Schrei eines sterbenden Tieres ist nicht anders als der eines Kriegers. Er zerriss den Tag, verhallte dann zu einem heiseren Stöhnen, während der große Hund mitten auf dem Pfad zusammenbrach, auf seine verletzte Seite fiel und sich verzweifelt wand, um Luft und um sein Leben ringend. Den gleichen verzweifelten Schrei, aus zahllosen Kehlen, hatten ein Dutzend Männer, zwei Frauen und ein Kind schon den ganzen Morgen über an sich vorbeihallen lassen; diesen einen aber vernahmen sie schweigend, entsetzt und voller Kummer und Bedauern. Der Ruf des Kampfhundes der Bodicea hatte sich unter den Legionen nicht weniger weit verbreitet als der Name jener Frau, an dessen Seite der Hund gekämpft hatte. Selbst die Männer Roms waren nicht ganz ohne Respekt und Ehrerbietung für einen solch tapferen Feind.
Dubornos glitt von seinem Pferd, und keiner unternahm auch nur den Versuch, ihn daran zu hindern. Seinen eigenen Dolch hatte er verloren, hatte ihn bereits in den ersten Augenblicken des Kampfes nach einem Gegner geschleudert; er steckte noch immer in der Brust eines älteren Soldaten der Hilfstruppen. Stattdessen griff Dubornos, als er sich neben Hail niederkniete, nach seinem Schwert, doch eine Hand auf seinem Arm ließ ihn innehalten. Dubornos blickte fluchend auf, doch jeder weitere Protest erstarb auf seinen Lippen.
Die Welt schrumpfte zusammen. Ihm gegenüber kniete der Dekurio der Thrakischen Kavallerie, der Reiter des gescheckten Pferdes, und sein Gesicht zeigte die hässliche, gelb-weiße Farbe eines Mannes, der dem Tod ins Antlitz blickt. Der schluchzende Cunomar war währenddessen an jenen Soldaten weitergereicht worden, der Hail getötet hatte. Der Mann sah aus, als ob auch sein Leben soeben ein Ende gefunden hätte. Ohne viel Aufhebens, aber auch ohne jeden Schutz hatte sich der Dekurio gegenüber Dubornos niedergekniet. Auf seiner geöffneten Handfläche lag, mit dem Griff nach vorn, sein Dolch, und nur eine Armlänge weiter entfernt pulsierte unter seiner glatten, braunen Haut durch die große Ader an seinem Hals viel zu schnell der Schlag seines Herzens.
In Gedanken sah Dubornos schon, wie er mit aller Inbrunst die Klinge entgegennahm und sie in ihre eigentliche Scheide rammte: wie er sie in all ihrer blitzenden Schärfe tief in Valerius’ Fleisch und Blut hineinstieß; bis zum Rückgrat jenes Mannes, dessen bloße Gegenwart schon eine Beleidigung gegenüber den Göttern und all jenen war, die er getötet hatte. Allein sein Wille und sein Schwur hielten Dubornos noch davon ab - und die tiefe, von Schmerz und Trauer erfüllte Stimme des anderen Mannes. Er sprach Eceni, und dies auf eine Art, wie es der Sänger seit seiner Kindheit schon nicht mehr gehört hatte - ganz unbefleckt von den Dialekten der südlichen und westlichen Stämme, die dem Krieg beigetreten waren; selbst Breaca sprach so nicht mehr.
»Du musst es tun. Ich kann mich nicht mehr an die Worte der Anrufung erinnern.«
Es ist einem Sänger nicht gegeben, die Seele eines anderen auf die gleiche Art zu lesen wie ein Träumer. Doch selbst wenn Dubornos dies vermocht hätte, so konnte die Geschichte eines ganzen Lebens unmöglich in jenem einzigen Moment, in dem sich ihre Blicke berührten, abgelesen werden. Dennoch verrieten die beiden Seelen einander in diesem Augenblick zumindest so viel, dass sie verstanden und dass trotz Todesangst und Hass noch so etwas wie Mitleid und ein gewisses Maß an Verständnis füreinander vorhanden waren.
Wie betäubt griff Dubornos also nach dem Dolch. Die Klinge war noch immer klebrig von Cunomars Blut. Der Griff war aus
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