Das Schwert der Keltin
erwartete, die bedeuteten, dass Tethis versagt hatte.
»Sie kommt!«
Ardacos hatte seinen Platz seit dem Morgen etwas verlagert. Er sprach nun aus dem Farngebüsch zu Breacas Linker heraus. Einen Augenblick später erhob er den Kopf, so dass Breaca ihn nun auch sehen konnte. Er war nackt bis auf den Gürtel und einen Lendenschurz aus Bärenfell, und sein Körper glänzte leicht von dem Gänsefett, mit dem er sich zum Schutz vor der Kälte eingerieben hatte. Er rückte näher an Breaca heran, bewegte sich dabei wie Wasser, das sich über einen Fels ergießt, und für einen kurzen Moment überlagerte sein Geruch sogar den Gestank der Verwesung, die sich aus dem Tal erhob. Sein Gesicht war gezeichnet und verwittert von vier Jahrzehnten, in denen er sich der Kälte und dem beißenden Wind ausgesetzt hatte, und sein Lächeln war eine sehr seltene Geste, wie ein kleines Geschenk, und erst nach Jahren in Ardacos’ engster Umgebung hatte Breaca gelernt, dieses Lächeln zu lesen. So wie er jetzt lächelte, war es die Einstimmung auf eine bald folgende Enttäuschung.
»Sie ist schon halb oben und allein«, sagte er. »Siehst du... da.« Er deutete nach Süden. Kurz erzitterte das Farnkraut auf dem Hang, dann war es wieder still. Ein jagender Fuchs hätte eine solche Bewegung verursachen können oder auch ein Dachs, bei einem Ausflug ans Tageslicht. Ardacos keckerte wie ein aufgebrachter Hermelin und erhielt eine ebensolche Antwort.
Dann kam Tethis die letzten Schritte heraufgerannt. Sie war allein, sah aber weder hoffnungsvoll noch erfreut aus.
»Es interessiert mich nicht, was er sagt. Wir werden ihn da rausholen.«
»Nein. Er kann nicht befreit werden.«
»Er kann. Wir haben nur noch nicht herausgefunden, wie. Einer von uns sollte sich hineinschleichen und sich nachts, wenn weniger Wachen aufgestellt sind, noch einmal umsehen.«
Mittlerweile war die Abenddämmerung heraufgezogen. Sie waren auf die andere Seite des Hügels gewandert, außer Sichtweite des Lagers und auf der vom Wind abgewandten Seite, der plötzlich aufgefrischt war und den Farn flach niedergedrückt hatte. Die Bärenkrieger und Gwyddhiens Silurer hielten in einem geschlossenen Kreis Wache. Die fünf anderen und Tethis blieben in der Mitte. Das Mädchen hatte ein wenig trockenes Feuerholz mitgebracht, und dieses zu sammeln war auch der Grund gewesen, weshalb sie das Lager verlassen hatte. Ardacos hatte eine kleine Feuerkuhle gegraben, und sie verbrannten das Holz allein der Wärme wegen. Keiner von ihnen hätte jetzt einen Bissen zu essen herunterbekommen.
Aus der Kuhle erstrahlte ein orangefarbener Schein. In seinem Licht war zu erkennen, dass sie alle mittlerweile viel zu blass waren und viel zu mitgenommen. Breaca zog ihr Messer über ihren Schleifstein, ein rhythmisches Schleifen und Kratzen, das sich jedoch sogleich wieder im Wind verlor. Ohne diese Art der Betätigung hätte sie sich zwingend erheben müssen, um ein paar Schritte zu gehen, um durch den Farn zu streifen, um zu rennen, um ihre Klinge zu ziehen und zur Not sogar nur einhändig die Reihen der Wachposten anzugreifen, die zwischen ihr und dem weit entfernten Zelt standen, das sie nun als jenes hatten identifizieren können, in dem sich Caradoc befand.
Breaca saß am Feuer, direkt gegenüber von Tethis. Das Mädchen war klein, kompakt, nachdenklich und offensichtlich tief bewegt von dem, was sie gesehen hatte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe und grübelte darüber nach, was sie als Nächstes sagen sollte. Ardacos stellte eine Frage in der nördlichen Sprache, die keiner der anderen verstand und die nur abgehackt beantwortet wurde. Breaca konnte nur den Namen von Cartimandua verstehen, der zweimal mit aus tiefstem Herzen empfundenem Hass ausgesprochen wurde. In dem Rest der Worte schwangen Überraschung, nachdrückliche Zustimmung und eine nüchterne Gewissheit mit, aber keine Hoffnung.
Am Ende verfielen sie alle in tiefes Schweigen, bis Ardacos, der seine Worte sehr sorgfältig wählte, schließlich sagte: »Sie will dir dies nicht erzählen, weil sie Angst hat, es würde deinen Kummer nur noch vergrößern, aber ich denke, du musst es einfach wissen. Das Zelt, in dem sie Caradoc gefangen halten, liegt auf einem Felsvorsprung. Sie haben ihn mit Ketten um seinen Hals und um seine Fußgelenke daran gefesselt. Du könntest ihn nur befreien, wenn du gleichzeitig einen Schmied mitnähmst, der dann auch noch Zeit genug hätte, die Eisenketten aufzubrechen. Außerdem schlafen in dem
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