Das Schwert der Keltin
Anblick von Breacas Schlachtross kurzerhand die Flucht ergriffen. Unablässig von Breacas Truppen attackiert, sammelte Scapula seine Legionen schließlich um sich wie eine Henne ihre Küken und zog sich einen blutigen Schritt nach dem anderen wieder zurück und bis in die Sicherheit der Festung zu Camulodunum hinein. Nun war auch er Zeuge der Existenz der Bodicea geworden und hatte gelernt, sie zu fürchten. Dennoch fürchtete er sie noch nicht so sehr, als dass er Caradoc wieder freigelassen und zu denjenigen zurückgesandt hätte, die seinen Verlust beklagten.
Zwar mochte Scapula über diesen Schritt nachgedacht haben, doch lag die Entscheidung ohnehin schon nicht mehr in seinen Händen. Spione aus den östlichen Seehäfen hatten berichtet, dass Caradoc und seine Familie bereits per Schiff nach Rom geschickt worden waren. Legionare, die man lebend gefangen und verhört hatte, hatten dies bestätigt. Selbst wenn der Statthalter Roms also den Willen gehabt hätte, Caradoc wieder seinem Volk zu übergeben, waren der Krieger und seine Familie doch bereits in der Gewalt des Kaisers und konnten nicht mehr zurückbeordert werden.
Langsam fiel das Feuer wieder in sich zusammen. Beißender Rauch stieg in die Luft auf. Der Wasserfall ergoss sich in den See und floss von dort aus weiter in den Fluss. In jedem der leisen Geräusche der Natur hörte Breaca Caradocs Namen, so wie er ihr auch tagtäglich im Klirren der Waffen widerzuhallen schien, in den Schreien der im Sterben liegenden Legionssoldaten und im Kreischen der Krähen über dem Schlachtfeld. Mit der Zeit, daran hegte Breaca keinen Zweifel, würde sie das noch um den Verstand bringen.
Ihr gegenüber auf einem der Flusssteine saß Airmid, den Umhang schützend über den Kopf gezogen. Kleine, an Schweißtropfen erinnernde Wasserperlen hatten sich auf dem Stoff angesammelt. Ihr Gesicht war zu schmal und von einer ungesunden Blässe, doch diese Merkmale trugen im Augenblick schließlich alle. In der Nacht versorgte Airmid die Verwundeten und bereitete den Toten und Sterbenden den Weg zu den Göttern. Am Tag, wenn die Krieger im Namen Caradocs die Legionen niedermetzelten, suchte sie in ihren Träumen und Visionen nach einer Möglichkeit, wie sie Caradoc wieder nach Hause holen konnten. Heute Nacht schien es so, als habe sie eine Möglichkeit gefunden.
Doch zu hoffen war sehr gefährlich. Das zerbrechliche Gleichgewicht, in dem sich Breacas Verstand gerade noch befand, beruhte allein auf dem Wissen, dass alle Hoffnung verloren war - und doch war es ihr unmöglich, nicht sogleich wieder die Hand nach dem ersten sich am Horizont zeigenden Hoffnungsschimmer auszustrecken. Den Blick auf die Flammen gerichtet, murmelte Breaca schließlich: »Sag mir, was du gesehen hast.«
Airmid zog ein feuchtes Holzscheit aus dem um das Feuer herum aufgeschichteten Haufen und legte es in die Flammen. Das Wasser zischte und verflüchtigte sich zu Dampf. Durch diese Wolke hindurch begann Airmid: »Caradoc befindet sich in der Gewalt des Kaisers, daran gibt es keinen Zweifel. Um an Claudius heranzukommen, müssen wir zunächst den Weg über Scapula wählen, anders ist seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen; doch auch dies wissen wir bereits, seit wir das Lager der Briganter hinter uns gelassen haben. Bis jetzt jedoch hatten wir noch keine Möglichkeit gefunden, uns dem Statthalter zu nähern, ohne damit zugleich Selbstmord zu begehen. Doch heute Nacht, so glauben wir, hat er einen Fehler gemacht. Ardacos’ Bärinnen haben seinen Rückzug beobachtet, und sie berichten, dass Scapulas Pioniere ihr Feldlager auf der Grabstätte einer Träumerin der Ahnen errichtet haben. Luain mac Calma, also derjenige unter uns, der am engsten mit den Vorfahren in Verbindung steht, hat es bestätigt.«
»Wessen Grab ist es?«
»Das weiß ich nicht. Luain kann uns nichts weiter sagen, als dass ihr Zeichen eines der ältesten ist, die in die Dachbalken des Großen Versammlungshauses von Mona geritzt wurden. Es gibt zwar keinen Grabstein oder Grabhügel, doch ihre Gebeine und ihr Traumzeichen liegen an genau der Stelle, wo sich zwei jener Wege, die einst von den Ahnen bereist wurden, kreuzen. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre uns dieses Wissen zwar möglicherweise von keinem großen Nutzen gewesen, doch heute ist die Nacht, in der der alte Mond in den neuen übergeht und in der sich Nemains Macht auf ihrem Höhepunkt befindet. Ich glaube, mit der Hilfe der Göttin können wir das Lager erstürmen und bis zu
Weitere Kostenlose Bücher