Das Schwert der Keltin
Wege verschafft, um aus dem Haus, in dem sie zu jenem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahrzehnten lebte, zu fliehen. Ihre sieben Kinder kamen allesamt auf dem Meer zur Welt, und sechs von ihnen segelten noch immer darauf. Sorcha war die Jüngste von ihnen. Ihre Entscheidung, sich auf dem Festland niederzulassen, hatte sie erst sehr spät gefällt und aus beinahe dem gleichen Grund, wie ihre Mutter sich einst dem Meer anvertraut hatte. Sorchas Mann war ein Krieger gewesen und im Frühsommer in einem Gefecht umgekommen. Seit seinem Tode hatte sie ihre drei Kinder in der Gesellschaft der wenigen anderen Kinder aufgezogen, die noch auf Mona geboren wurden und aufwuchsen. Auch steuerte sie noch immer die Fähre über die Meerenge, so wie sie es Jahr für Jahr seit der Invasion der Legionen getan hatte.
Breacas Bitte, fortan Graines Amme zu sein, kam sie mit der gleichen Bereitschaft nach, mit der sie auch das Meer bereiste. Die Rolle als Mutter fiel ihr nicht schwer, und es schmerzte sie bereits zu sehen, wie rasch ihr Kind groß wurde. Außerdem wusste sie tief in ihrem Inneren, was es bedeutete, wenn ein Mensch das Licht seines Lebens an den Feind verlor, und was dieser Verlust dem Herzen und dem Verstand zufügte. Sorcha stand mit dem Rücken zur Wand, während sie mit einem Arm ihr Kind wiegte und Breaca dabei auf ziemlich die gleiche Art betrachtete, wie sie die Dünung des Meeres beobachtete.
»Bist du denn auch die Richtige, um dich nun auf die Suche nach deinem Mann zu machen?«, fragte Sorcha. »Wenn du ihn erst einmal siehst, wirst du dich nicht mehr zurückhalten können. Und da sie euch beide wollen, ist das genau der Weg, wie sie dich kriegen, nämlich, indem sie ihn als Köder benutzen.«
»Airmid kommt mit mir«, entgegnete Breaca. »Sie verliert nicht so rasch den Verstand.«
»Wirklich?« Sorchas Haar war von einem kupfernen Rot, ihre Brauen eine Nuance heller, und sie gingen fast unter zwischen ihren von der Sonne getönten Sommersprossen. Sorcha hob eine Augenbraue. »Bis sie dich gefangen nehmen. Dann, so würde ich sagen, reagiert sie noch viel schlimmer.«
»Vielleicht.« Doch diese Gefahr bestand immer, schwebte über allem. Jeden Tag ging man wieder neue Risiken ein. Das Risiko, getötet zu werden, gefangen genommen zu werden, gefoltert zu werden; und jeden Tag bereitete man sich in seinem Herzen und im Geiste so gut darauf vor, wie es einem nur irgend möglich war. Wenn aber jemand, den man liebte, genau die gleichen Risiken auf sich nahm, so konnte man sich auf diese nicht vorbereiten; das war vollkommen unmöglich. Breaca dachte an Caradoc und an seine letzten Worte bei ihrem Abschied. Ich liebe dich, das darfst du nie vergessen. Für deine Freiheit und die unserer Kinder werde ich alles tun, was auch immer das ist, bis ans Ende dieser Welt. Zerschmettert lag Breacas Herz im Käfig ihres Brustkorbs, und kein Wort des Trostes konnte es wieder zusammenflicken.
Sorchas Hütte war aus grünen, mit Astlöchern übersäten Eichenbalken gezimmert. Für ein überreiztes, gehetztes Gemüt, das in allem und jedem nach einem Zeichen suchte, begannen sich die Astlöcher nun zu bewegen und formten sich zu Bären und Klingen und gekreuzigten Männern. Breaca starrte gebannt auf die sich bewegenden Silhouetten, verloren in einer Vergangenheit, die unwiderruflich dahin war, und in einer Zukunft, die keiner kannte.
Sorchas Junge schlief an ihrer Brust ein. Ruhig und geschickt wickelte sie ihn in ein Lammfell und legte ihn zu seinen Geschwistern auf das Farnkraut in dem Bett mit den hohen Seitenwänden. Leise, über das Gemurmel der Mutter und ihrer Kinder hinweg, ertönte eine Glocke: das Signal für die vom Festland kommende Bitte nach einer Fähre. Sorcha hob ein kleines, blaugetöntes Stückchen Kalbsleder an und schaute durch die nun freiliegenden beiden Gucklöcher, die den Blick auf die Molen zu beiden Seiten der Meerenge freigaben. Dann zog sie an einem Seil und hievte damit eine Signalflagge nach oben, die man selbst am gegenüberliegenden Ufer noch erkennen konnte.
»Das ist Ardacos. Er ist jetzt mit seinen Bärinnen eingetroffen. Wenn er so weit gereist ist, dann sind auch Gwyddhien und Braint nicht mehr weit.« Sorcha wandte sich wieder um, ihr Kinn grimmig vorgeschoben. »Damit würden also fünf von euch aufbrechen, und es wäre nicht einer dabei, der den Verlust des anderen verschmerzen könnte, ohne dabei gleich den Verstand zu verlieren.«
»Nein.« Nun spähte auch Breaca durch die
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