Das Schwert der Keltin
Stimme schon seit dem Tag, als er Sorchas Fähre betrat und Mona verlassen hatte, nicht mehr vernommen. Dennoch erhielt sie die ersehnte Antwort - geboren aus ihrer noch immer lebhaften Erinnerung an Caradoc und dem noch immer in der Luft schwingenden Rhythmus seiner Sprache. Also verkündete sie: »Ich würde mir wünschen, was für Caradoc das Beste ist. Unabhängig davon, ob er damit an meine Seite zurückkehrt oder nicht. Und sollte er leben, so werde ich dies mit Sicherheit auch erfahren, ebenso, wie er von meinem Schicksal erfahren wird. Das kann niemand verhindern.«
Die Großmutter watete wieder aus dem Wasser heraus. An ihr haftete ein strenger Geruch nach Färberwaid. »Eine gute Wahl«, bestätigte sie. »Allerdings wird sich somit auf euer beider Leben auch der Schmerz niedersenken; auf deines vielleicht sogar noch stärker als auf seines. Möglicherweise jedoch kehrt damit auch etwas bereits verloren Geglaubtes wieder zu dir zurück. Aber das können nur die Götter mit Sicherheit sagen.«
»Wie also sollen wir es anfangen?«
»Folge mir. Mach mir einfach alles nach und tu genau, was ich dir sage. Stelle keine Fragen und vertraue denen, die mit dir wandern, wie auch immer sie dir erscheinen mögen. Es werden noch immer jene Männer und Frauen sein, die du bereits kennst.«
Hell erleuchtet von einem Mond, den Breaca nicht sehen konnte, schlängelte sich der Pfad durch das Heidekraut. Die Speerspitze aus Feuerstein glühte so heiß, als ob sie gerade eben erst aus den Flammen gezogen worden wäre. Fest umklammerte Breaca die Klinge. Die behauenen Kanten schnitten scharf in ihre Handfläche. Mit hoch erhobenem Haupt marschierte die ältere Großmutter voraus, ihr Haar geradezu lebendig erleuchtet von jenem silbrigen Licht, das auch den schmalen Weg erhellte. Hinter der Großmutter schritt Breaca, ihr wiederum folgte Airmid. Efnís und Luain mac Calma verharrten beim Feuer, um den Traum am Leben zu erhalten und um die Wanderer sicher wieder nach Hause zu geleiten.
Flankiert wurden die drei von den Kriegerinnen und Kriegern der Bärin, die mit weit ausholenden Schritten durch das Heidekraut streiften. Sie trugen ihre Bärenfelle auf eine Art, wie Breaca es noch niemals zuvor gesehen hatte: Sie waren so geschickt um sie geschlungen, dass der Mensch darunter zum Bären zu werden schien und der Bär zum Menschen. Sie hatten kleine, gefährlich blitzende Augen, und ihr Atem stank Ekel erregend. Ardacos schenkte Breaca ein Lächeln; sie hatte den Eindruck, plötzlich lange, weiße Zähne bei ihm aufblitzen zu sehen. Aber natürlich war all dies lediglich das Werk der Götter. Und noch ehe Breaca ihn fragen konnte, wie das alles vonstatten gegangen war, hatte die ältere Großmutter sie bereits am Arm gepackt und weitergezogen.
Den Bärinnen war es verboten, auf dem Pfad zu wandern. Als sie sich dem Lager näherten, ließen sie sich auf alle viere nieder und rannten schon einmal voraus bis zu der hölzernen Palisade und dem Schutzgraben, welche Scapulas Feldlager umgaben.
Die römischen Nachtlager sahen alle gleich aus: Regelmäßig am Abend errichtet und am nächsten Tage wieder abgebaut, hinterließen sie als Zeugnis ihrer Anwesenheit lediglich die Pfahllöcher, den Graben und die Latrinen. Ihre Uniformität war ihre Stärke; jeder Mann kannte seinen Platz und seine Pflichten. Doch nach den ersten paar Angriffen kannten auch ihre Feinde die genaue Anordnung ihrer Tore und Wachposten. Die Bärinnen rannten also auf den südlichen Graben zu, jenen, der der Grabstätte ihrer Ahnin am nächsten lag. Die wachhabenden Soldaten im Inneren der Umzäunung mussten nicht nur sturzbetrunken, sondern auch noch dumm sein, dass sie die Bärinnen nicht rochen, als diese sich anschlichen. Fest umklammerte Breaca die steinerne Speerspitze und bedauerte zum wiederholten Male, dass sie nicht ihr Schwert bei sich trug.
»Runter!«
»Was?«
Ungeduldig zischte ihr die ältere Großmutter zu: »Runter mit dir, sofort! Sie sichern jetzt den Schutzwall. Duck dich zwischen das Heidekraut und kriech auf dem Bauch weiter.«
Zwischen ihren Schulterblättern spürte Breaca plötzlich die Hand der alten Frau, fühlte, wie diese sie hinunterdrückte, bis sie schließlich flach auf dem Bauch lag. Dann kroch sie weiter wie eine Schlange. Zu ihrer Linken und ihrer Rechten reckte sich das Heidekraut empor, die Stängel so hoch wie Getreidehalme. Sie kratzten über Breacas Arme, bis sie bluteten. Die Erde roch nach altem Fuchskot und
Weitere Kostenlose Bücher