Das Schwert der Keltin
mehr in Eisenketten gelegt. Dieser Umstand, oder vielleicht auch die dreitägige Ruhepause, hatten ihn ein wenig erfrischt und die abgezehrte Müdigkeit von ihm genommen, die im Lager der Briganter von ihm Besitz ergriffen hatte, so dass er nun wieder wie jener Krieger aussah, der ein ganzes Volk anführen konnte. Selbst unter Dubornos’ kritischer Musterung blieb Caradocs kühler Blick entspannt, und in den Tiefen seiner grauen Augen blitzte sogar ein Fünkchen seines trockenen Humors auf. Wenn sie sich also damals in Britannien, bevor das erste Schiff ausgelaufen war, nicht zehn Tage lang denselben Fäkalieneimer geteilt hätten, dann hätte Dubornos gedacht, dass Caradoc überhaupt keine Angst empfinden könnte.
»Du hast nichts von dem Opiumsaft zu dir genommen«, stellte Dubornos fest. Beide hatten sie den gleichen Schwur gegen den Genuss von Wein abgelegt. Nur Dubornos hatte diesen Schwur gebrochen. Doch die Scham war nur eine minder schmerzliche Angelegenheit, eine Ablenkung von der sonst präsenten Angst. Dubornos hieß das ihm bereits vertraute Gefühl der Beschämung also ganz entspannt willkommen.
Caradoc zuckte mit den Schultern. »Mir ist ja auch keiner angeboten worden. Aber wenn wir heute Nacht wieder welchen bekommen sollten, dann hältst diesmal du Wache und ich trinke den Wein und schlafe.«
»Aber ob sie das tun werden?« Werden wir überhaupt noch eine weitere Nacht erleben, geschweige denn, dass wir wählen dürfen, ob wir trinken oder nicht trinken, ob wir schlafen oder nicht schlafen?
» Ich weiß es nicht. Das scheint in den Händen von Narcissus, dem ehemaligen Sklaven, zu liegen. Wenn man sich auf Mona keine Lügen erzählt, dann ist das ein recht gewitzter und intelligenter Mann, dem im Allgemeinen nicht der Sinn nach Blutvergießen steht.«
»Der Kaiser aber, dem er gehorcht, besitzt keine dieser Eigenschaften; im Gegenteil, ihm bereitet es sogar noch größeres Vergnügen, seine Opfer eines langsamen, qualvollen Todes sterben zu sehen, als seinem Vorgänger Caligula.«
Caradoc schloss die Augen, öffnete sie dann langsam wieder und stieß zwischen geschürzten Lippen den Atem aus. »Vielen Dank, ja. In diesem Falle sollten wir also dankbar sein, dass Claudius als schwach gilt und von seinen Frauen und ehemaligen Sklaven beherrscht wird. Wenn er nämlich tatsächlich Caligulas Instinkte und noch dazu dessen Mangel an Zurückhaltung besäße, dann hätte das Sterben für uns schon längst begonnen. So wie Caligula einst einen Vater zwang, sich ruhig hinzusetzen und Wein zu trinken, während seinem Sohn vor dessen Augen die Haut abgezogen wurde. Was dann mit dem Vater passierte, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.« Caradocs graue Augen funkelten. »Ist es das, was du hören wolltest?«
Unter Dubornos Tunika kroch eine Gänsehaut über seinen Körper, ganz so, als ob seine Nerven bereits bloßgelegt worden wären. »Je eher es anfängt, desto eher ist es vorbei«, sagte er, doch noch während er diese Worte aussprach, begriff Dubornos bereits, dass er gewiss nicht der Einzige war, der dies dachte, und dass man solche Mutmaßungen besser nicht laut aussprechen sollte.
»Sie haben die Kinder«, stellte Caradoc tonlos fest. »Xenophon, der Arzt, hat sich um sie gekümmert. Er war heute Morgen hier, um sicher zu gehen, dass du noch schläfst. Er meint, dass Cygfa und Cunomar, weil sie noch Kinder sind, vielleicht weiterleben dürfen - wenngleich auch nur als Sklaven. Wenn es also etwas gibt - irgendetwas -, das wir tun können, damit sie überleben, dann müssen wir dies tun. Das ist alles, worum es jetzt noch geht.« Caradoc hob den Kopf, seine Augen blitzten. »Und sag jetzt nicht, was du gerade sagen wolltest, denn auch Xenophon weiß es. Aber noch hat er niemandem davon erzählt.«
Cygfa ist kein Kind mehr.
Dubornos atmete einmal tief ein und zwang sich, jene Worte, die er gerade hatte aussprechen wollen, wieder herunterzuschlucken. Wie ein unausgesprochenes Todesurteil schwebten sie durch die stickige Luft.
Caradocs Lächeln war nicht mehr als ein kurzes Zähnefletschen. »Danke. Wenn das alles hier in weniger als einem Monat vorbei ist, dann finden sie es vielleicht niemals heraus. In der Zwischenzeit kannst du mir ja deinen gesamten Vorrat an Heldengeschichten erzählen, oder vielleicht fällt uns ja auch eine andere Möglichkeit ein, wie wir die Zeit hier rumkriegen können.« Caradoc ließ sich auf die Pritsche niedersinken und stützte sich, ganz nach Art der Römer,
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