Das Schwert der Keltin
richteten sich nun auf etwas, das nur er sehen konnte, und sein Blick umwölkte sich. Beinahe geistesabwesend sagte er: »Du hast eine sehr gute Rhetorik. Ich kann deine Argumentation nachvollziehen. Deine Frau und deine Kinder sollen also das Unterpfand für mein eigenes Leben sein. Wenn ich sterbe, so sterben auch sie. Solange ich lebe, leben auch sie. Ich kann sie natürlich nicht freilassen, aber sie werden auch nicht versklavt. Es wird ihnen ein Platz auf den kaiserlichen Gütern zugewiesen werden. Also? Besitzt du die Macht dazu? Werden die Träumer auf deinen Befehl hin den Fluch wieder zurücknehmen?«
Caradoc nickte. »Ich werde mein Bestes geben. Möglicherweise gehorchen sie ja noch immer meinem Befehl, aber ich brauche einen Mittelsmann, jemanden, der die Nachricht überbringt und dem auch Gehör geschenkt wird. Dubornos wäre dafür geeignet, wenn er denn noch lebt.«
»Er lebt noch. Niemand würde ihn ohne meine Einwilligung töten. Aber später wird er trotzdem gemeinsam mit dir sterben. Ich schicke doch keinen Krieger wieder in sein Land zurück, damit er diese Rebellion dann einfach wieder fortführt. Wir werden stattdessen einen römischen Mittelsmann finden. Der Präfekt Corvus wird heute mit der Abendflut auslaufen. Er wird deine schriftliche Nachricht nach Britannien mitnehmen. Und bis dahin werdet ihr beide euch einen Weg überlegen, wie das Dokument auch in die richtigen Hände gelangt. Ich habe mir sagen lassen, dass die Träumer auch der griechischen Sprache und Schrift mächtig sein sollen. Sie werden also, ebenfalls schriftlich, ihre Bestätigung zurückschicken, dass der Fluch aufgehoben wurde. Wenn diese Versicherung hier bei mir ankommt, sollen deine Frau und deine Kinder am Leben bleiben. Wenn nicht, sterben sie auf die gleiche Weise, wie du sterben wirst. Mit diesem Wissen im Hinterkopf wirst du nun wohl hoffentlich auf jene, die uns bedrohen, allen erdenklichen Druck ausüben.«
Der Kaiser klatschte einmal in die Hände, und sofort traten die Wachen vor. Claudius lächelte. »Feder und Tinte werden dir in deine Zelle gebracht. Überleg dir deine Worte gut. Du bist entlassen.«
XXII
Die Sonne ging langsamer auf als jemals zuvor. Schon unzählige Male hatte Dubornos erlebt, wie der Morgen vor einer Schlacht immer besonders schleichend verging und die Zeit sich augenscheinlich den trägen Schlägen des Herzens anglich. Noch niemals aber hatte er das Gefühl gehabt, dass die Zeit vollkommen still zu stehen schien. Schulter an Schulter mit Caradoc und den Rücken gegen die Wand gelehnt, hockte Dubornos auf der Pritsche gegenüber dem Fenster. Der schmale Platz war eigentlich nur für einen Mann bestimmt, sie aber mussten ihn sich teilen, denn beide wollten noch einmal durch das hohe, vergitterte Fenster dieser ihnen neu zugewiesenen Zelle blicken. Beide wollten noch einmal das sich langsam vortastende Licht des heraufziehenden Tages sehen. Es war ihr Wunsch gewesen, noch einen allerletzten Sonnenaufgang zu erleben, und unter der Vorgabe des Kaisers, Caradoc und Dubornos in größtmöglicher Beengtheit einzusperren, hatte sich eben nur diese winzige Zelle organisieren lassen.
Die zu Caradocs und Dubornos’ Bewachung abgestellten Soldaten hatten sich, als Geste der Höflichkeit, zurückgezogen. Die Gefangenen hielten sich schließlich auch ohne sie an die allgemeine Ordnung, denn Cwmfen und die Kinder waren nicht nur die Garanten für Claudius’ Leben sondern auch für Caradocs Tod. Denn so lautete die Vereinbarung, die Caradoc und Claudius, sozusagen von Krieger zu Krieger, getroffen hatten. Caradoc sollte in einem auf Griechisch geschriebenen Brief an Maroc auf Mona um das Leben des Kaisers bitten und zugleich schwören, dass er nichts unternehmen würde, was seinen eigenen langsamen und öffentlichen Tod verhindern könnte. Dafür sollten seine Frau und die beiden Kinder am Leben bleiben.
Auch Dubornos hatte keinen Zweifel an der Rolle, die ihm in dieser Übereinkunft zukam: Er war quasi das Zubehör, sein Tod das schmückende Beiwerk zu dem ihnen nun unmittelbar bevorstehenden Hauptereignis. Doch er lebte bereits in einer Sphäre jenseits aller Angst, war wie betäubt und fühlte sich ganz leicht - wie ein Schneckenhaus, das man seiner Schnecke beraubt hatte und das nun nur noch eine leere, empfindungslose Hülle war. An diesem letzten Morgen also war es nicht das Opium, das Dubornos Ruhe schenkte, sondern allein die Zeit. Ohnehin hatte der maßvolle Einsatz des Opiums in den
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