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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Arm. Die Haut der Frau war ölig und dünn zugleich, ganz anders als die der Alten Großmutter aus seiner Kindheit. Außerdem stank sie nach vergorenem Wein, Urin und Verwahrlosung. Im Geiste hörte Valerius nun wieder seine eigene Kinderstimme. Ich schwöre, dass ich dir deine Augen und deine Ohren sein werde, so lange, bis die Zeit oder die Götter mich wieder daraus erlösen.
    Aus der gleichen Ecke seines Kopfes ertönte nun die Stimme einer alten Frau in einem Dachsfellumhang und sprach: Du hattest mich verlassen. Ich hatte niemanden mehr. Hättest du nicht mir zuliebe wieder nach Hause kommen können?
    Valerius schüttelte den Kopf und beugte sich noch weiter zu der alten Frau hinunter. »Dein Handgelenk ist gebrochen«, stellte er fest. »Es war mein Pferd, das auf dich draufgetrampelt ist. Du wirst dafür entschädigt werden, und wir werden auch einen Knochenrichter für dich finden. Tut dir sonst noch irgendetwas weh?«
    »Meine Brust«, antwortete sie, und sogleich durchrüttelte sie ein Hustenanfall mit flüssigem Auswurf. Dünne Blutsfäden durchzogen den Speichel.
    Valerius ließ sich auf die Fersen zurücksinken und zwang sich, seine Gedanken zu ordnen. Ich bin Julius Valerius, Dekurio und Löwe des Mithras. Außerdem befand er sich gerade in den Vororten von Rom, inmitten einer feindlich gestimmten Menge und in einer Prozession, deren präzise festgelegter Zeitplan keine Verzögerung erlaubte. Bereits jetzt hatten sie sich so verspätet, dass er sich schon in Lebensgefahr befand. Wenn sich die Prozession nun noch stärker verzögerte, konnte er von Glück reden, wenn er sich nicht auf dem nächsten freien Kreuz zu seinen Widersachern gesellen musste. Was immer Caradoc also sagen mochte, wie sehr er auch von den zurückgekehrten Geistern unterstützt werden mochte, so hatte Valerius doch weder die Absicht noch die Zeit, sich nun um eine verkrüppelte Großmutter zu kümmern.
    Valerius lehnte die alte Frau mit dem Rücken gegen den Türbogen. »Bleib hier. Sollte ich am Ende der Prozession noch am Leben sein, komme ich zurück. Das schwöre ich.«
    Zwischenzeitlich hatten sich die Wachen um den Gefangenenwagen versammelt, die Gesichter nach außen gewandt und die Schwerter gezogen, um den sie umgebenden Mob auf Abstand zu halten. Der Zenturio hieß Severus und hatte zu Zeiten Caligulas am Rhein gedient. Valerius schaffte es, ihn auf sich aufmerksam zu machen. »Sieh zu, dass der Karren wieder anfährt. Mach den Weg frei. Wenn auch nur einer von uns den heutigen Tag überleben will, müssen wir das Ende des Vorplatzes erreicht haben, ehe Claudius dort ankommt.«
    Der Offizier verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Aber glaubst du denn, die Eseltreiber schaffen es, ihre Viecher auch noch den Rest des Hügels hinaufzutreiben?«
    »Das werden sie, sobald sie kapieren, dass davon ihr Leben abhängt.«
     
    Ich bin Julius Valerius, Dekurio der Ersten Reiterabteilung der Ala Prima Thracum ...
    Erneut setzte der Schlag der Trommel ein, und nun wusste Valerius auch wieder, wo er war. Wie Säure, die man über seine offen gelegte Leber gegossen hatte, hatten sich seine Befehle in sein Gehirn eingebrannt. Sogar blind und mit von Wolle verstopften Ohren hätte er sie noch ausführen können. Denn das konnte auch nicht schlimmer sein, als der ungewisse Weg, der nun vor ihm lag, oder als die Tatsache, dass die einzigen Worte, die er noch richtig verstehen konnte, auf Eceni waren und allesamt ohnehin nur Echos aus seiner längst vergangenen Jugend. Was schon unangenehm begonnen hatte, entwickelte sich nun geradezu zu einem Albtraum. Lärmend sammelten sich die Geister aus allen seinen Lebensabschnitten um ihn herum; so lebendig waren sie ihm schon seit seiner Zeit als Sklave unter Amminios’ Herrschaft nicht mehr erschienen, zumindest nicht am helllichten Tag. Sie waren zwar noch nicht dicht genug an ihn herangetreten, dass er sie klar verstehen konnte, doch machte dies nun ohnehin keinen Unterschied mehr, denn Caradocs Stimme ersetzte die ihre und erschallte wie ein Nachhall aus dem Gefängnis. Was hättest du getan, wenn du gewusst hättest, dass Breaca die Schlacht überlebt hatte?
    Auch Valerius’ Gott hatte ihm diese Frage schon gestellt und, niedergezwungen von der göttlichen Gegenwart, hatte Valerius ihm ganz ehrlich darauf geantwortet. Hier, auf dem kaiserlichen Vorplatz aber und inmitten der kaiserlichen Prozession, würde er dies jedoch nicht - konnte er dies nicht - wiederholen.
    Ich bin der Dekurio

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