Das Schwert der Keltin
Erst die Sklavenauktionen würden wieder ihr Interesse wecken. Bis dahin jedoch war diese Vorführung bloß ein notwendiger Bestandteil des Spektakels und damit kein Ereignis, über das man sich später beim Abendessen noch unterhalten würde. Trotz des allgemeinen Schweigens war dennoch vereinzelt das Flüstern der Geschäftsleute zu vernehmen, die die Zeit schon einmal nutzten, um einige inoffizielle Absprachen bezüglich der späteren Auktion zu treffen. Valerius, mittlerweile stärker sensibilisiert für die ihn umgebenden Dinge, als er erwartet hatte, bemerkte, dass die Kriegerinnen unter den Frauen sich zwischenzeitlich offenbar nach außen geschoben hatten und jetzt einen schützenden Ring um die Frauen mit den Kindern bildeten. Ihre würdevolle Geste jedoch war angesichts der ohnehin schon unaufmerksamen Menge vollkommen verschwendet. Doch bitterlich weinten die Geister.
Als Nächstes kamen die Wagen mit den Männern herangefahren, und sie alle waren höchst beeindruckend: aufgrund ihrer Größe, ihrer eigentümlich wilden Kleidung, andere wegen ihrer Nacktheit und alle zusammen nicht zuletzt aufgrund der fremdländischen Zeichen auf ihrer Haut. Im Letzten der Karren befanden sich drei Krieger, die zugleich auch Träumer waren, und allein sie erkannten, was ihre Landesbrüder nicht sahen, denn alle drei verneigten sich grüßend, als sie an Macha vorüberfuhren. Unter den Römern bemerkte keiner außer Valerius diese ehrerbietige Geste. Die meisten Menschen verrenkten sich vielmehr gerade die Hälse, um einen Blick auf die beiden hintersten Wagen werfen zu können: auf die königliche Familie und den rebellierenden König. Dubornos versenkte sich derweil immer tiefer in seine Trance und sah und begriff, was sonst keiner wahrnahm. Valerius beobachtete ihn und bemerkte den exakten Augenblick, als das Bild von Dubornos’ Visionen sich wandelte und die Geister Teil seiner Realität wurden. Lächelnd vor unverhohlener Freude begrüßte er sie.
»Wenn es tatsächlich Mithras ist, der, zumindest nach dem, was deine Mythen dir sagen, die Seelen der Toten bewacht, so wundert es mich, dass Mithras höchstpersönlich nun gerade die Seele eines Träumers aus dem Stamm der Eceni anfleht, über seinen Sohn Valerius zu wachen. Meinst du nicht auch, dass stattdessen vielleicht...«
»Ich meine überhaupt nichts. Und unsere Prozession schreitet immer weiter voran. Wenn du sprichst, während die Wagen an den Menschen vorbeifahren, haben die Wachen den Befehl, dir die Zunge herauszureißen. Und auch die Geister aus deiner Vergangenheit werden dich nicht davor schützen können.«
Valerius war sich dessen, was er da gerade gesagt hatte, zwar nicht so ganz sicher, aber er sprach mit der Gewissheit und der Autorität eines Offiziers, und es schien, als ob Dubornos ihm glaubte, denn er verfiel stirnrunzelnd in Schweigen. Auf ein verstecktes Signal hin rollte jetzt der Wagen mit Cwmfen, Cygfa und Cunomar nach vorn. Cunomar hatte man die Fesseln zwischenzeitlich wieder abgenommen, denn Caradoc hatte ihm den unverbrüchlichen Schwur abgenommen, keine Schande über seine Familie zu bringen, und der befehlshabende Zenturio hatte dies akzeptiert. Alle drei standen nun sehr aufrecht, wenngleich bleich, in ihren leinenen Hemden da, und ihr ungeschnittenes Haar hob sich sanft im leichten Fahrtwind. Sie hatten die Größe und den Teint von Galliern, wirkten aber deutlich weniger eingeschüchtert. Besonders die Frauen gaben sich den Anschein, noch immer den Rang von Königinnen zu besitzen, und bewahrten eisern ihre würdevolle Maske. Mittlerweile hatte sich das Gerücht verbreitet, dass ihnen die Hinrichtung womöglich erspart bleiben würde, nicht jedoch die Sklaverei. In den vordersten Reihen der Menge begannen die reicheren und kühneren der Senatorenfrauen sogleich hinter vorgehaltener Hand um den Dienst dieser Sklavinnen zu feilschen.
Unmittelbar vor Valerius hob nun Eburovics Schatten kampfbereit seinen Schild. Der Wagen mit Caradocs Familie erreichte mittlerweile genau die Mitte des Vorplatzes und der vorbestimmten Route. Am Rande dieses Platzes hob Zenturio Marullus diskret die Hand. Valerius spürte, wie sich sein Herz, ähnlich wie beim Beginn einer Schlacht, zusammenkrampfte. Zischend wandte er sich an den Kutscher der grauen Pferde: »Mach dich bereit. Sobald Marullus die Hand sinken lässt, fahrt ihr im Schritt an. Folge immer der Spur der anderen Wagen. Und wenn dir dein Leben lieb ist, siehst du zu, dass die Pferde nicht
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