Das Schwert der Keltin
Nachfolger gelten oder nur jenem einen, dem gegenüber Ihr Euren Schwur geleistet habt?«
Nun, endlich, näherten sie sich dem eigentlichen Thema, dem Landesverrat. Gerade in den letzten Tagen waren Männer bereits wegen weitaus geringerer Vergehen gestorben. Valerius senkte den Blick auf den Boden. Auch er starrte auf der Suche nach einer Antwort auf sein eigenes, im Wein taumelndes Spiegelbild hinab. Dies war nun ein Thema, über das er sich noch niemals zuvor ernsthaft Gedanken gemacht hatte; obwohl er das vielleicht besser hätte tun sollen. Ich diene meinem Kaiser, im Leben und bis zu meinem Tode.
»Die Armeen werden vom Kaiser befehligt, wer immer dies auch gerade sein mag«, stellte Valerius schließlich fest. »Die Loyalität gilt also der Institution des Kaisers, nicht der Person, die dahinter steht. Oder, um es noch deutlicher zu formulieren, so gilt meine Treue meinem Präfekten, über ihn wiederum dem Statthalter und damit letztendlich auch dem Kaiser. Aber Britannien liegt ein nicht unbeträchtliches Stück von Rom entfernt, und schon bald wird der Winter über uns hereinbrechen. Sollte der Statthalter also nicht bald eine Nachricht erhalten, so wird er weiterhin, mindestens aber bis zum nächsten Frühling, im Sinne des letzten Befehls von Claudius handeln und diesen seinen Möglichkeiten und den Erfordernissen der Situation entsprechend umsetzen. Und vom Statthalter wiederum nehme ich meine Befehle entgegen.«
»Was aber wäre, wenn, nur mal ganz theoretisch, der Kaiser - Claudius - Euch höchstpersönlich einen Befehl erteilen würde und Ihr vor dem nächsten Frühling nicht mehr nach Britannien zurückgelangen könntet? Dann gäbe es ja keine Befehlskette mehr, die Euch Eure persönliche Entscheidung noch abnehmen könnte.«
»Nein, das liegt klar auf der Hand.« Vorsichtig stellte Valerius das Tablett mit dem Essen wieder auf dem Boden ab. Bisher hatte ihn der Kampf oder zumindest die Aussicht auf einen Kampf noch immer wieder zurück in seine Mitte befördert. So geschah es auch dieses Mal, und er fuhr fort: »Könnte ich davon ausgehen, dass der Befehl, der mir gegeben würde, im Widerspruch zu dem des nachfolgenden Kaisers stehen könnte? Nur für den Fall, dass dieser davon erfahren sollte, wie der erste Befehl lautete.«
»Davon könnt Ihr ausgehen. Wenn Ihr jedoch vorsichtig seid, dann wird er es niemals herausbekommen, und Ihr könnt als reicher Mann wieder zu Eurer Einheit zurückkehren. Wenn Ihr aber unvorsichtig seid...«
»... dann werde ich sterben. Aber das ist in solchen Angelegenheiten ja nicht ungewöhnlich. Und mein Gott kann bezeugen, dass ich bisher noch immer vorsichtig gewesen bin.« Eine Vorahnung von Gefahr prickelte über Valerius’ Rückgrat, so leicht und so willkommen wie die Liebkosung einer Geliebten. »Ist es dann also recht und billig, wenn ich annehme, dass Ihr derjenige seid, der die Befugnis hat, mir ebenjenen Befehl zu übermitteln?«
»Diese Annahme ist absolut zutreffend. Denn ich habe den Befehl hier bei mir, geschrieben von Claudius höchstpersönlich und vor Zeugen versiegelt.« Der Arzt zog daraufhin eine erstaunlich kleine Schriftrolle aus seinem Ärmel, deren Siegel das Bild des Elefanten trug, das ganz persönliche und private Siegel des Kaisers, das er nur in Angelegenheiten verwendete, die Britannien betrafen. Auch der Befehl, der Valerius zurück nach Rom beordert hatte, hatte dieses Siegel getragen.
Xenophon hielt die Schriftrolle sehr behutsam, so wie er vielleicht einen gefangenen Vogel halten würde, der wieder in die Freiheit entlassen werden sollte. Mit ungewohnter Feierlichkeit fuhr Xenophon fort: »Ich kann Euch nun diese Schriftrolle übergeben. Das tue ich aber erst dann, wenn Ihr Euch vor meinen Augen und bei Eurem Gott und mit dem Eid des Soldaten dafür verbürgt, dass Ihr den hier niedergeschriebenen Befehl vollkommen akzeptieren werdet, dass Ihr bis zu Eurem letzten Atemzug alles daransetzen werdet, den Befehl auszuführen, oder aber bei dem Versuch sterbt. Dies geschieht im Übrigen nur zu Eurer eigenen Sicherheit. Ohne diese Versicherung, oder für den Fall, dass Ihr mir den Schwur nicht geben würdet, müsstet Ihr nämlich sterben.«
»Zweifellos. Bei einer derart brisanten und geheimen Angelegenheit wie dieser könntet Ihr es unmöglich riskieren, dass ich außerhalb dieser vier Wände auch nur ein Wort über den Befehl verlauten lasse. Ihr wisst also, welcher Art der Befehl ist, der mir erteilt werden soll?«
»Das weiß
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