Das Schwert der Keltin
Metzeleien unter den Eingeborenen? Die Exekutionen? Die verwüsteten Dörfer und die im Feuer umgekommenen Kinder?«
Das war zu viel. Glücklicherweise stellte sich in diesem Augenblick aber schon der Zorn ein. Zwar nicht jene unbezwingbare, gewalttätige Wut, die Umbricius getötet hatte, aber doch ein ausreichend lodernder Zorn, und dieser ließ das Gefühl des Gejagtwerdens, das Valerius nur allzu oft plagte, schneller verblassen als alles andere. In der alles verzehrenden Kälte seines Zornes ertönten jetzt auch die Schreie der Toten nur noch gedämpft, und sogar Macha, Báns Mutter, verschwand aus seinem Blickfeld, als wäre sie nie gewesen.
Zurück blieb nur eine einzige, kalte Stimme; die Stimme jenes Mannes, der noch immer nicht getötet worden war und dessen Worte und Gesichtszüge einst die des einen Gottes widergespiegelt hatten. Was hättest du getan, wenn … Diese Stimme ließ sich ursprünglich nur mit großen Mengen Wein zum Schweigen bringen, doch mit der Zeit hatte Valerius gelernt, sie auch ohne das einfach zu überhören. Er zog die Hände wieder von seinen Augen und stellte zu seiner Erleichterung fest, wie Xenophon vor dem, was er nun in seinem, Valerius’ Gesicht las, erschrocken zurückwich. Dann fiel ihm plötzlich das sich in seinem Gepäck befindliche Messer wieder ein, und vor seinem inneren Auge stiegen Visionen eines sterbenden Xenophon auf. Valerius lächelte und spürte dabei genau, welchen Einfluss dieses Lächeln wiederum auf die Angst des Arztes hatte.
Mit bewusster Schonungslosigkeit erklärte Valerius: »Im Krieg geht es nun einmal darum zu töten. Wenn Euch das nicht gefällt, dann wendet Euch an den einzigen Menschen, der daran etwas ändern kann. Sagt Claudius, dass er seine Legionen aus Britannien abziehen soll, und sofort wird das Töten ein Ende haben. Bis dahin aber müssen wir siegen - sonst sind nämlich wir diejenigen, die sterben. Und ich habe ganz gewiss nicht die Absicht zu sterben. Doch selbst wenn ich hierher beordert worden sein sollte, um meinem Henker gegenüberzutreten, so solltet Ihr wissen, dass auch mein Tod den Krieg nicht beenden würde.«
»Davon bin ich auch nie ausgegangen.«
Xenophon hatte nicht wirklich Angst vor Valerius. Dies allerdings war ein Fehler. In der wieder neu hervortretenden Leere des Zimmers schwebte die Gefahr des Todes nun geradezu greifbar über ihnen. Valerius setzte seinen Kelch ab, ließ sich gegen die Wand zurücksinken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Seine Hände verhielten sich ganz ruhig - dies stimmte Valerius höchst zufrieden, denn das war nicht immer so. »Nun habt Ihr mir aber noch immer nicht gesagt, warum ich eigentlich hier bin«, wiederholte er. »Ich glaube nicht, dass ich deshalb hierher bestellt wurde, weil man mit mir Spitzfindigkeiten über den Tod eines gallischen Regimentsschreibers austauschen möchte.«
Dieser eine Satz reduzierte soeben die Tode Tausender zu einem einzigen, nur minder wichtigen Punkt des römischen Rechtswesens. Lediglich eine Bemerkung schien Recht und Gesetz Roms ganz mühelos wiederhergestellt zu haben. Mit offenkundigem Bedauern wich Xenophon zurück zu seinem Platz an der gegenüberliegenden Wand. Als er erneut das Wort ergriff, ging er jedoch zu einem anderen Thema über.
»Ihr habt ja Recht, natürlich. Nur um mit Euch über den Tod eines Galliers zu diskutieren, hätte der Kaiser niemals eine solche Summe für eine Schiffspassage ausgegeben. Wenngleich der Anlass, weshalb Ihr den Gallier getötet habt, möglicherweise dennoch Einfluss auf das Endergebnis Eurer Aufgaben haben könnte. Denn manch einem ist die militärische Disziplin wichtiger als anderen, ganz besonders hier und jetzt …«
Xenophon verfiel in Schweigen und starrte nachdenklich auf die spiegelnde Oberfläche des Weins in seinem Becher. Der Arzt überlegte, mit welcher Formulierung er bei Valerius wohl den größten Eindruck erwecken könnte. »Wenn wir einmal den Stiermörder beiseite lassen und in unserer jetzigen Welt bleiben, wem gehört dann Eure erste und letzte Loyalität als Offizier der Kavallerie?«, fragte Xenophon. »Wessen Befehl folgt Ihr bedingungslos, bis Ihr ihn ausgeführt habt oder aber bei dem Versuch sterbt?«
»Dem des Kaisers. Das heißt, Claudius«, antwortete Valerius. Mittlerweile war es wichtig, in einem solchen Zusammenhang auch den Namen jenes Kaisers, den man meinte, zu nennen.
»Und wenn der Kaiser nun sterben sollte, würde Eure Loyalität dann auch seinem
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