Das Schwert der Keltin
Schwierigkeit darstellen. Er lief los, um Wasser zu holen, und kehrte gleich darauf wieder zurück. Cwmfen trank dankbar. Ihr Atem ging bereits leichter als noch zuvor. Nun erhob sich auch Xenophons Schüler wieder. Cunomar beobachtete, wie er einen dünnen Streifen von einem ihrer besten Laken abriss und sich damit das Blut von den Händen wischte. Erst nachdem er die kranke Frau verpflegt und auch sich selbst wieder gesäubert hatte, wandte Philonikos seine Aufmerksamkeit erneut seiner eigentlichen Aufgabe zu: der zu überbringenden Nachricht.
»Ihr müsst fliehen«, sagte er. »Die Wachen werden dafür sorgen, dass euer Verschwinden nicht bemerkt wird, zumindest fürs Erste, vielleicht sogar für immer. Ostia aber ist in der Hand von Männern, die Agrippina ihre Loyalität geschworen haben. Dort könnt ihr also nicht hin. Stattdessen wird man euch bis zur gallischen Nordküste eskortieren. Wenn ihr hart und schnell reitet, solltet ihr noch vor Mitte Oktober dort ankommen. Wenn ihr euch genau daran haltet, wird euch dort ein Schiff erwarten. Noch ist es nicht zu spät, nach Britannien überzusetzen, vorausgesetzt natürlich, dass ihr euch nicht verspätet. Der Kaiser hat dazu bereits seine Zustimmung erteilt. Der Offizier der Wachtruppe trägt einen vom Kaiser unterzeichneten Befehl bei sich, dass eine Familie Rom verlassen darf und bis zum Hafen von Gesoriacum reisen soll, um dort ein Schiff zu nehmen. Ihr seid exakt beschrieben worden, nur die Namen sind andere.«
Philonikos hätte ein Sänger werden können, der Dubornos durchaus ebenbürtig gewesen wäre. Er hatte genau das richtige Gedächtnis für die schier zahllosen Erläuterungen und die Zeilenmaße, die er offenbar in- und auswendig kannte. Nur schien er nicht die Fähigkeit zu haben, all das, was er da gerade erzählte, einmal kritisch zu hinterfragen. Vielleicht war seine Aufmerksamkeit aber auch bloß auf andere Dinge gerichtet. Jedenfalls lungerte er nun wieder etwas unbeholfen neben dem Krankenbett und beobachtete Cwmfen dabei, wie diese sich den Säugling an die Brust legte, um ihn zu stillen. Philonikos hatte noch immer diesen Blick an sich, mit dem er den Fluss der Milch einschätzte und die ganz offensichtliche Stärke des Kindes. Cunomar sah, wie sein Vater bei der unaussprechlichen Schönheit dieser Szene geradezu dahinschmolz.
»Philonikos?« Dubornos packte den Burschen am Arm und schüttelte ihn leicht. »Warum sollte Claudius so etwas tun? Er hegt doch für keinen von uns irgendeine Zuneigung und will gewiss auch nicht sehen, wie sich Britannien nun wieder gegen ihn erhebt.«
»Er weiß, dass er im Sterben liegt.« Diese Bemerkung kam von Caradoc. »Britannien war seine Eroberung, seine Leidenschaft und sein Weg zur Unsterblichkeit. Aber es gibt nicht den leisesten Grund, warum er das jetzt alles kampflos Agrippina hinterlassen sollte. Das ist seine Art von Rache.«
Xenophons Schüler nickte, und seine Eulenaugen blickten sehr ernst. »Und möglicherweise bereut er auch gewisse frühere Entscheidungen. Das ist nichts Ungewöhnliches bei jemandem, der den kalten Hauch des Todes spürt. Er versucht, noch zu Lebzeiten Wiedergutmachung zu leisten, damit er nicht eines Tages von den Seelen der Toten zur Rechenschaft gezogen wird. Ganz gewiss denkt auch Xenophon so. Denn ihr seid nicht die Einzigen heute Nacht, für die Boten fertig unterzeichnete Entlassungsurkunden bei sich führen. Aber es besteht Anlass zur Eile. Mal von diesen paar Soldaten hier abgesehen, kontrolliert Agrippina nämlich auch schon die Stadtwache. Wenn sie also davon erfahren sollte...« Plötzlich stockte Philonikos. Zum ersten Mal an diesem Abend kamen jetzt der Bote und der Arzt in ihm zusammen. »Aber ihr könnt nicht«, sagte er. »Cwmfen und das Kind - sie können noch nicht reiten.«
»Ich werde bei Cwmfen bleiben«, sagte Dubornos daraufhin. »Caradoc wird derweil seine Kinder in die Heimat bringen und sie wieder ihrem Geburtsrecht zuführen.«
»Nein«, ertönte es laut, und Caradoc blickte den Sänger mit seinen steingrauen Augen durchdringend an. Beide schienen gleichermaßen entschlossen.
Cunomar spürte, wie plötzlich ein feiner Riss durch seine Welt zog. Seit über zwei Jahren lebten sie nun schon so eng beieinander, dass sie sich fast gegenseitig auf die Zehen traten, und während dieser Zeit hatten die beiden Männer ihr Bestes gegeben, um die Familie zusammenzuhalten, hatten alle anderen Streitigkeiten beiseite gelegt, die es mit Sicherheit eben
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