Das Schwert der Keltin
den ersten Tag nach der Geburt bestimmt gewesen und noch nicht verschmutzt war, und warf es hinüber zu Cunomar, der es, ohne nachzudenken, einfach auffing und sogleich begann, es in Streifen zu reißen. Widerwillig musste er seine Aufmerksamkeit nun wieder der Außenwelt zuwenden.
»Aber warum ist der Palast denn verriegelt?«, fragte er. Dann jedoch, als er bemerkte, dass die Erwachsenen alle in Schweigen verharrten und er die Antwort im Grunde auch nicht ernsthaft hören wollte, fragte er noch einmal: »Warum hat dich Xenophon denn sonst hierher geschickt, wenn nicht, um dich um Cwmfen zu kümmern?«
Philonikos warf einen kurzen Blick zu Caradoc hinüber, bat ihn damit schweigend um Erlaubnis zu sprechen, und Caradoc nickte. »Claudius steht unter Belagerung«, erklärte Philonikos. »Möglicherweise liegt er bereits im Sterben - vergiftet durch Agrippina. Wenn aber nicht jetzt, dann spätestens innerhalb des nächsten halben Monats. Sie werden Xenophon dafür die Schuld geben, obwohl der sein Bestes getan hat, um genau das zu verhindern. Agrippina hat den Palast jetzt unter ihrer Kontrolle. Sie lässt verkünden, dass der Kaiser krank sei und dass wir für ihn beten sollten. Ihr Astrologe wird so lange warten, bis ihre Sterne günstiger stehen, und wenn der passende Zeitpunkt gekommen ist, wird sie Nero auf den Thron setzen und quasi über ihn dann selbst regieren. Von genau dem Augenblick an seid ihr hier nicht mehr sicher. Denn sie hasst euch. Und inmitten all der dann stattfindenden Hinrichtungen, von Narcissus und Callon und allen anderen, die sich ihr widersetzt oder sie verärgert haben oder einfach nur Zeugen jener Demütigungen waren, die sie durch Claudius einstecken musste, wird euer Tod bloß einer von vielen sein.«
Cunomar beobachtete, wie Cygfa zu ihrer Mutter hinübertrat. Für eine ganze Weile hatte sie Philonikos einfach ignoriert und durch ihn hindurchgestarrt, als ob er gar nicht existierte. Es kam ihr nicht so vor, als ob gerade er ein Arzt sei, der die Fähigkeit besitzen könnte, das Leben ihrer Mutter zu retten. Als sie nun sprach, schwang in ihrer Stimme ein gewisser Trotz mit, aber auch Schuldbewusstsein und, vor allem anderen noch, das Bedürfnis, die Vergangenheit auszulöschen: »Aber die Menschen lieben Claudius doch ebenso sehr, wie sie Agrippina verabscheuen. Wenn wir nun verbreiten, dass der Kaiser von ihr bedroht wird, werden die Leute doch sicherlich den Palast stürmen, nicht wahr?«
Falls Philonikos in diesem Augenblick die Wandlung in Cygfa bemerkte, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Er war gefangen genommen von seiner Sorge um ihre Mutter. Cwmfens Blutung hatte tatsächlich schon etwas nachgelassen. Philonikos ergriff Cwmfens Handgelenk und beugte sich tief über sie, um den Puls noch besser erspüren zu können. »Das ist nicht möglich«, antwortete er geistesabwesend. »Die Wachen würden es nicht zulassen.«
Mit scharfem Tonfall fragte Caradoc plötzlich: »Welche Wachen? Etwa die da draußen?«
Nach den Marschschritten, dem Brüllen der Befehle und dem raschen Ausschwärmen von Männern, die auf ihren Wachposten zueilten, war in der Tat eine beunruhigende Stille eingetreten. Nun schnüffelte Cunomar in der Luft und roch brennendes Pech, und das bedeutete, dass da draußen Fackeln waren, und die Fackeln bedeuteten Feuer. Das hätte ihn allerdings nicht sonderlich überraschen sollen, denn nur allzu viele der jüngsten Exekutionen waren anschließend mit Hausbränden vertuscht worden. Cunomar beobachtete, wie sich die Erkenntnis nun auch in den Gesichtern seines Vaters und Dubornos’ abzeichnete, selbst auf dem der im Bett liegenden Cwmfen, und wie sich alle zu ihm umwandten und doch jeder versuchte, sein Begreifen zu überspielen.
Die alte, schon vertraute Übelkeit kehrte zurück: »Sie sind wegen uns gekommen«, sagte er. Er hatte schon immer gewusst, dass dies eines Tages geschehen würde.
»Ja, aber nicht, um euch festzunehmen, sondern um euch zu helfen. Sie sind auf Claudius’ Befehl hierher gekommen und halten ihm noch immer die Treue. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie euch erlauben würden, unter ihren Augen in Rom einen Tumult anzuzetteln.« Philonikos hob nun wieder den Blick. »Die Blutung wird bald aufhören. Es war nicht so schlimm, wie es aussah. Kann irgendjemand Cwmfen sauberes Wasser geben, vielleicht mit ein wenig Honig drin? Wenn sie das trinkt, wird es ihr bald besser gehen.«
Das zumindest sollte für Cunomar keine große
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