Das Schwert der Keltin
ob Valerius sie letzten Endes nicht vielleicht doch verraten würde. Unvermittelt blieb er stehen. Cygfas Blick durchbohrte seinen Rücken förmlich. Langsam wandte er sich zu ihr um. »Das habe ich dir schon in Rom gesagt«, antwortete er. »Ich habe einen Eid geleistet. Vor meinem Gott. Und solche Dinge sind bindend.«
»Und warum hat man dir diesen Eid abgenommen?«
»Keine Ahnung.« Valerius kämpfte sich weiter voran und von Cygfa fort, hob dabei die Hände, um sein Gesicht vor den Dornen zu schützen. Er hatte gerade gelogen, natürlich. Denn er hatte sogar eine recht konkrete Vermutung, weshalb man ihm den Schwur abgenommen hatte, und dieser Grund schloss Theophilus und Xenophon mit ein - zwei griechische Ärzte, die ihre Verantwortung für die Seele des Menschen genauso ernst nahmen wie die für den Körper, der ebendiese Seele umschließt. Obgleich Valerius in dieser Angelegenheit anderer Ansicht war.
Cygfa folgte Valerius, und als sie die kleine Lichtung wieder verlassen hatten, lief Valerius leichtfüßig über die mit glitschigem Schlamm überzogenen Flusssteine hinweg - für einen Krieger war es natürlich eine Herausforderung, das andere Ufer zu erreichen, ohne auszurutschen.
Valerius erreichte das gegenüberliegende Ufer trockenen Fußes, und dieser kleine Erfolg munterte ihn ein wenig auf. »Um herauszufinden, warum man mir diesen Eid abverlangt hat«, fuhr er nun fort, »müsstest du schon den Kaiser fragen, und der ist jetzt wahrscheinlich bereits tot. Aber vielleicht kann Dubornos ihn ja für dich fragen. Er scheint Freunde unter jenen zu haben, die bereits zu den Göttern eingegangen sind. Ich aber habe die nicht.«
»Nein. Denn im Totenreich gibt es ja auch bloß jene, die dich aus tiefster Seele hassen und bis in alle Ewigkeit warten würden, um schließlich auch deinen Tod zu begrüßen und ihren eigenen damit zu rächen. Das ist doch für jeden offensichtlich.«
»Ach, wirklich?« Valerius hörte, wie seine Stimme erbebte. »Dann bist du vielleicht auch eine Träumerin, dass du die Seelen der Toten sehen kannst?«
»Wohl kaum. Und das brauche ich auch nicht zu sein. Jedes Kind sieht doch die Seelen, die dich umkreisen.«
Daraufhin wandte Valerius sich wortlos ab, ging davon und ließ Cygfa am gegenüberliegenden Ufer zurück.
Der Rest der Gruppe hatte sich schon fertig gemacht und wartete bereits. Cwmfen trug Math als ein Bündel vor der Brust und war ebenfalls abmarschbereit. Dem Kind wuchsen mit der Zeit schon einige fusselige Haare, und sein Blick war nicht mehr ganz so ohne Ziel. Auch seine Mutter hatte unter Philonikos’ Fürsorge gute Fortschritte gemacht.
Cwmfen hatte schon das Feuer gelöscht, seine Überreste zertreten, die Asche mit jenen Grassoden bedeckt, die sie am Abend zuvor ausgestochen hatten, und darüber sogar noch alte Blätter ausgestreut. Der Zenturio und seine Truppe mochten zwar trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen noch immer ihren Lagerplatz finden, aber nur, wenn sie wirklich fleißig suchten, und allein durch diese Suche würden sie abermals Zeit verlieren. Zwar war ihr Ziel ganz offensichtlich, und somit mochte auch die Feuerstelle im Grunde schon wieder egal sein, doch es gehörte nun einmal zu einem echten Krieger dazu, immer und unter allen Umständen in Deckung zu bleiben, und diesen stillschweigenden Ehrenkodex wollte keiner willentlich brechen.
Auch die Männer hatten sich nützlich gemacht. Sie hatten die am Rande der Lichtung stehenden Pferde zusammengetrieben und ihnen die Fußfesseln abgenommen. Die Maultiere vor dem Wagen hatten sie schon vor längerer Zeit verkauft und von dem Erlös eine Stute für Cwmfen erworben, so dass sie nun alle Pferde von gutem Blut ritten. Lediglich Cunomar hatte man einen kleinen, etwas holperig laufenden Wallach gegeben, und auch der Junge stand nun neben seinem Tier bereit und verzehrte unterdessen gemeinsam mit seinem Vater sein Frühstück: den erkalteten, gerösteten Hasenrücken jenes Tiers, das Dubornos in der vergangenen Nacht erlegt hatte. Der Sänger behauptete, er habe den Hasen allein mit seinem Gesang angelockt. In Valerius’ Augen war dies jedoch eine Selbstgefälligkeit, die er Dubornos einfach nicht abnahm. In diesem Augenblick blickte der Sänger auf und winkte freundschaftlich. Valerius blieb abrupt stehen und starrte Dubornos verwundert an, hörte dann aber hinter sich Cygfas leichten Schritt und ihre in zischendem Ordovizisch geäußerte Begrüßung.
Cygfa wollte schon an ihm vorbeieilen, doch
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