Das Schwert der Keltin
sich nicht zu übergeben, als Caradoc, der hinter ihm ritt, plötzlich bemerkte: »Sie haben in den Leuchttürmen Feuer entfacht. Ist das normal, tagsüber?«
Was hättest du getan, wenn du gewusst hättest ...
» Was? Wo?«
»Hinter dir und rechts.«
Die Übelkeit verschwand schlagartig wieder, und der Druck seines Helmes ließ augenblicklich nach. Valerius hob den Blick. Von den Plattformen der Leuchttürme nördlich und östlich von ihnen entsandten Eimer mit brennendem Pech ölig-schwarzen Rauch in den taghellen Himmel, ließen giftigen Qualm in die Wolken hoch über ihnen aufsteigen.
»Das ist nur das letzte in einer ganzen Kette von Signalen.« Das wusste Valerius ganz einfach. »Sie werden sich gerade gegenseitig ein Zeichen geben.« Er blickte sich noch einmal um, verfluchte abermals die See und die Möwen und seine vom Weinmangel herrührende Unaufmerksamkeit, und dann, endlich, entdeckte auch er, was er schon lange zuvor hätte bemerken sollen. Valerius riss den Arm hoch und zeigte nach Osten.
»Dort!«
Weit hinter ihnen in den Bergen neigte sich eine graue Rauchsäule unter einer bei ihnen nicht mehr wahrnehmbaren Brise. Der Blätterbaldachin über dem Rauch versteckte diesen fast ganz; wenn sie sich in diesem Moment auch nur eine einzige Meile weiter unten im Tal befunden hätten, wären sie gegenüber diesem Zeichen sicherlich genauso blind gewesen wie jene neun bewaffneten Männer, die in diesem Augenblick auf der anderen Seite des Stromes und jenseits des dort verlaufenden Waldstreifens entlangritten. Schließlich aber hielten auch sie ihre Pferde abrupt an und starrten hinauf zu der Rauchsäule, die sich jetzt über der Stadt erhob.
Valerius spürte, wie sich eine eisige Kälte in seiner Brust ausbreitete. »Claudius ist tot«, sagte er und fügte mit der gleichen Gewissheit hinzu, »jetzt ist Agrippina an der Macht. Und wenn wir hier noch länger auf der Lichtung bleiben, sind auch wir bald tot.« Cwmfen ritt direkt hinter ihnen, den kleinen Math fest an ihre Brust gedrückt. In ihrem Gesicht zeichneten sich Schmerz und Müdigkeit ab, aber Valerius hatte Menschen gesehen, denen es noch weitaus schlechter gegangen war.
»Kannst du im Galopp reiten?«, fragte er sie.
»Wenn ich muss.«
»Du musst.« Valerius riss sein Pferd herum und machte eine Bewegung mit dem Arm, mit der er sie alle gleichzeitig einschloss. »Reitet zum Südtor und folgt mir durch die Stadt hindurch. Jeder, der zurückfällt, fällt Agrippinas Männern in die Arme. Und ich würde nicht davon ausgehen, dass sie allzu freundlich mit euch umgingen.«
Gesoriacum war überfüllt von Menschenmassen. Zwar war es unwahrscheinlich, dass sich plötzlich seine gesamte Bevölkerung auf die Straßen ergossen haben sollte, nur um Valerius und seinen Schutzbefohlenen das Weiterkommen zu erschweren, doch es machte zumindest diesen Eindruck. Die Straßen waren schmaler als in Rom, so dass die Sänften der Matronen, die in den Villen ihrer Freundinnen gerade ihre Nachmittagsbesuche abstatteten, die gesamte Breite des Weges von Häuserfront zu Häuserfront einnahmen und damit sowohl die bummelnden Fußgänger aufhielten als auch das Fischervolk, das entweder vom oder zum Hafen strömte, und natürlich die Händler und deren Leiterwagen - denn das in Rom am Tage herrschende Verbot von mit Rädern versehenen Beförderungsmitteln erstreckte sich nicht bis in die Provinzen des Reiches -, sowie die Hunde und die Kinder, die zu ihren Müttern rannten, als die Fremden auf den Pferden sich in ziemlich unzivilisiertem Tempo durch die Straßen drängten. Glücklicherweise machten sie aber alle Platz, langsam zwar, aber es reichte aus. An diesem letzten Tag nämlich hatte Valerius gegen Mittag wieder seine Uniform, die ihn als Mitglied der Stadtwache auswies, aus dem Gepäck geholt und sie über seine Reisetunika gezogen. Selbst diejenigen, die die Bedeutung der Feuer in den Leuchttürmen begriffen haben mochten, würden es noch nicht riskieren, sich einem römischen Offizier in den Weg zu stellen.
Der Hafen von Gesoriacum war nur klein, denn alles, was er bisher erlebt hatte, war das Auslaufen einer halben Invasionsflotte, und dieses Ereignis war nun auch schon wieder ein gutes Jahrzehnt her. Lagerhäuser, Händlerbuden und Fischerhütten drängten sich bis dicht an den Kai heran, und allein ein kopfsteingepflasterter Pfad hielt sie noch davon ab, geradewegs ins Wasser zu stürzen. Ins Meer hinein erstreckte sich eine Mole, auf der sich einige
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