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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Valerius fing sie ab und sprach so laut, dass auch die anderen es hören konnten: »Heute Nachmittag werden wir Gesoriacum erreichen. Und wenn du nicht wegen Aufwiegelei eingesperrt werden willst, musst du die Zöpfe in deinem Haar entweder wieder auflösen oder sie verstecken. Ich möchte dir dringend raten, meine Warnung ernst zu nehmen. Morgen, mit den Iden des Oktober, bricht nämlich der letzte Tag an, an dem das Schiff noch auslaufen kann. Wenn Claudius also bloß noch zwei Tage durchhält, seid ihr in Sicherheit und ich kann wieder zu meiner Einheit zurückkehren. Und wenn ich dann wieder von meinem Schwur entbunden bin, werden wir ja sehen, welche Seite die stärkere ist.«
    Caradocs Tochter grinste ihn an, zeigte ihm die Zähne, so wie es schon unzählige andere auf unzähligen Schlachtfeldern getan hatten, und sprach schließlich jene Worte, die jeder Mann und jede Frau, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten, in der einen oder anderen Art und Weise schon gesagt hatten: »Den Tag werde ich mit Freuden begrüßen. Aufgespießt auf einen Speer vor dem Rundhaus auf Mona wird sich dein Kopf sicherlich sehr dekorativ ausmachen.«
    Von all den Dingen, die Cygfa ihm im Laufe des Morgens gesagt hatte, war es diese Bemerkung, über die Valerius während des langen Ritts, den sie an diesem Tag noch bis zur Küste zurücklegen mussten, am häufigsten nachdachte. Zu jener Zeit, als er noch Bán von den Eceni gewesen war, hatten die Leute die Köpfe ihrer Feinde nämlich nicht als Trophäen aufbewahrt. Selbst die Leichen ihrer verhasstesten Widersacher waren damals noch heil und in einem Stück den Aasfressern und den Göttern des Waldes übergeben worden.
     
    Gesoriacum, Hafenstadt und Behördenviertel, hatte sich in den sechzehn Jahren, seit der junge Caligula befohlen hatte, den großen Spitzturm des Leuchtfeuers zu errichten, nicht sehr verändert. Damals hatte Caligula sein Flaggschiff, die Eurydike , aufs Meer hinausgesteuert, um dort Amminios’ Kapitulation zu akzeptieren, und mit dieser Geste sowohl seinen Sieg über Britannien als auch gleichzeitig über Neptun verkündet.
    Für Valerius’ Empfinden tat diese Rückkehr seinem von der Reise ohnehin schon zermarterten Verstand nur noch weitere Qualen an. In Britannien waren die alten Erinnerungen von neuen überlagert worden, und so war es ihm möglich gewesen, das, was einst gewesen war, zu vergessen. Hier aber war ihm einfach zu viel zu vertraut. Das Gebiet um die Stadt herum war ruhiger, als er es einst empfunden hatte, doch fehlten nun ja auch jene beiden Legionen, die damals am Stadtrand kampiert hatten. Der scharfe, beißende Geruch der See jedoch ließ seine Augen tränen, wie er es schon immer vermocht hatte, und rief ihm auch gleich wieder diese leichte Übelkeit ins Gedächtnis, die bisher noch jede seiner Schiffsreisen begleitet hatte. Der Wind riss Valerius förmlich die Worte aus dem Mund, und die über ihnen kreisenden Seevögel schrien mit den Stimmen der Toten. Dieses eine Mal war er also tatsächlich erleichtert, dass Cygfa die Stimmen ebenso hören konnte wie er selbst.
    Sie erreichten die Stadtmauer am Spätnachmittag, stiegen hinab in das Tal neben dem kleinen Fluss und führten ihre Pferde den mäandernden Pfad bis zum südlichen Stadttor hinauf. Am anderen Ende der Stadt war gerade ein Fischerboot in den Hafen eingelaufen und zog wie immer eine wirbelnde Wolke von Möwen hinter sich her. Ihr schrilles Gekreisch jagte einem wahrhaft eine Gänsehaut über den Rücken. Valerius’ morgendliche Kopfschmerzen - ihm fehlten der Wein beziehungsweise Philonikos’ geistige Getränke - waren mit jeder Meile, die sie hinter sich gebracht hatten, stärker geworden, so dass er nun, da sie die Stadt erreichten, nur noch wie blind ritt und seine Stute sich ihren eigenen Weg suchen ließ. Sein Helm lag unangenehm fest um seine Stirn herum, ganz so, als ob das Metall geschrumpft wäre oder sein Kopf angeschwollen.
    Der Himmel war schmerzhaft hell, und Valerius richtete den Blick nach unten und konzentrierte sich auf das zertrampelte Gras und die kleinen, vom Wind zerzausten Herbstblumen, die das Gras mit rosa und weißen Tupfen durchsetzten. Das linke Fesselgelenk seines Pferdes war weiß und der Huf darunter bernsteinfarben, mit braunen Ringen drumherum. Valerius zählte im Stillen die Anzahl der Streifen, wiederholte diese Zahl dann auf Gallisch, Thrakisch und Latein, während er sich krampfhaft bemühte, das Gefühl der Übelkeit zurückzudrängen und

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