Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
fortschwemmte, wusste Valerius plötzlich ganz genau, wessen Schwert dies war und warum es einen so großen Wert für die Trinovanter hatte, dass sie alles riskierten, um es zu schützen. Freude - oder etwas, das Freude ziemlich nahe kam - wallte in ihm auf. Das Blut strömte heiß und schnell durch seine Adern, pochte in seinen Schläfen, und ihm war schwindelig vor Erregung. »Ich übe keine Vergeltung«, erklärte er. »Ich führe nur die Befehle derer aus, die das Kommando über mich haben. Das genügt.«
    »Dann lass es auch genug sein! Du bist verflucht, Julius Valerius, Handlanger des Stiermörders, Diener Roms - verflucht im Namen der Götter, die du aufgegeben hast, um ein nutzloses, leeres, armseliges Leben zu führen, um weder wirkliche Angst noch wahre Liebe, weder Freude noch Kameradschaft zu kennen, sondern nur einen trüben Abglanz all dessen; um gedankenlos und rücksichtslos zu töten, um die Sterbenden in den Armen zu halten, ohne wirkliche Trauer empfinden zu können, um in den reinen Augenblicken deines Hasses keine wirkliche Befriedigung finden zu können, um einzig und allein dafür zu leben, die Befehle derer auszuführen, die das Kommando über dich haben, und des Nachts von all dem zu träumen, was du verloren hast. Die Götter wissen, dass du es nicht anders verdient hast. Und sie allein werden wissen, ob es irgendwann ein Ende haben kann.«
    Sie kreischte jetzt regelrecht in ihrer Wut, nicht länger das Sprachrohr der Götter, sondern eine alte Frau mit scharfer, schriller Stimme; aber Valerius hielt das Schwert von Cassivellaunos in den Händen, Ahnherr von Cunobelin, dem Vorfahren und Gesinnungsgenossen des Mannes, den er, Valerius, von all jenen, die noch am Leben waren, am meisten hasste. Ein größeres Geschenk hätte er sich nicht wünschen können. Seine jähe Freude hatte sich inzwischen verflüchtigt, und er dachte jetzt wieder vollkommen klar und nüchtern.
    Er legte fragend den Kopf schief, so wie die Großmutter es getan hatte. »Möchtest du durch dieses Schwert sterben oder lieber durch ein anderes?«
    Sie spuckte ihm ins Gesicht. Dicke Speicheltropfen klebten an seinen Wangen. Zu seinen Füßen schwelten ein paar glühende Kohlen im Stroh. Kleine Flämmchen stiegen auf und verzehrten die Halme.
    Valerius hatte sich jetzt vollkommen unter Kontrolle, empfand kein Verlangen mehr nach Rache. Mit nüchterner, vernünftiger Stimme sagte er: »Wenn du hinausgehst, werden sie dich hängen - aus Angst vor dem, was du bist und was du tun könntest. Wenn ich dich hier drinnen zurücklasse, werden sie diese Hütte niederbrennen, und du wirst in den Flammen umkommen. Die Wahl liegt bei dir. Wenn du dich für den Tod durch den Strang oder durch das Feuer entscheidest, dann werde ich deine Wahl respektieren. Ich aber biete dir einen schnelleren und saubereren Tod an.«
    »Idiot!« Sie flüsterte jetzt. Er konnte sie durch den dichten Rauch kaum noch sehen. »Mach doch, was du willst. Ich bin so oder so schon tot.«
    Das stimmte zwar nicht, doch Valerius machte es wahr, indem er das Schwert von Cassivellaunos benutzte, der einst vor Caesar kapituliert und dabei das Schwert eines anderen Mannes zu dessen Füßen niedergelegt hatte. Die Großmutter starb, ohne einen Laut von sich zu geben oder in irgendeiner Weise Widerstand zu leisten. Valerius legte sie so auf ein Bett aus Stroh, dass ihr Gesicht nach Westen gewandt war. »Geh zu deinen Göttern. Sag ihnen, dass ich jetzt einem anderen diene und zufrieden bin.« Er glaubte an das, was er sagte, zumindest in diesem Augenblick. Schon lange hatte er nicht mehr eine solche Ruhe und Gelassenheit empfunden. Die Flammen leckten bereits an den Füßen der Toten, als er schließlich die Hütte verließ.
    Draußen hatte es wieder zu schneien begonnen, das Geschenk des einen oder anderen Gottes, um die Verwüstung zu verbergen. Der Leichnam des weizenblonden Kriegers war in der Zwischenzeit vom Galgen abgeschnitten und auf den Haufen mit den brennenden Schilden gelegt worden; dünne Kräusel schmierigen Rauches stiegen in den bleigrauen Himmel auf, schlängelten sich an herabfallenden Schneeflocken vorbei. Eine Kriegerin unter den Frauen sah den Mann aus der Hütte der Stammesältesten kommen, sah, was er in den Händen trug, und stieß einen Schrei aus, der schriller war und noch mehr Schmerz zum Ausdruck brachte als das Wehklagen um die Toten. In einer Kakophonie von Frauenstimmen marschierte Valerius vorwärts und hielt Regulus das Schwert

Weitere Kostenlose Bücher