Das Schwert der Keltin
hin.
»Diese Waffe hier hat einst Cassivellaunos gehört, Ahnherr von Caradoc, der die Aufständischen im Westen anführt. Die Trinovanter haben dieses Schwert wie einen kostbaren Schatz gehütet, in der Hoffnung, dass der letzte noch lebende Sohn Cunobelins zurückkehren wird, um sie in die Freiheit zu führen. Longinus Sdapeze ist zugleich Oberstallmeister und Waffenmeister seiner Truppe. Sein Vater war Waffenschmied. Longinus wird dieses Schwert entzweibrechen können. Ich dachte, du würdest vielleicht gerne dabei zuschauen.«
VIII
Es schneite auch weiterhin in Intervallen. Unter der Schneedecke nahm die Entwaffnung der Stämme ihren Fortgang. Jeden Morgen ritten Soldatentrupps frisch und ausgeruht hinaus, und jeden Abend kehrten sie blutbeschmiert und rußbefleckt wieder zurück. Die Nachricht über die Vorfälle jenes ersten Tages sprach sich unter Einheimischen und Soldaten gleichermaßen schnell herum, und mit jedem Anschein von Höflichkeit war es nun endgültig aus und vorbei. Rundhäuser wurden gezielt auseinander genommen und durchsucht. Innerhalb von drei Tagen war bereits das zweite der Frauenhäuser bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und die darin versteckten Waffen waren als wachsweiches Puddeleisen aus den verkohlten Überresten ausgescharrt worden.
Bald begann auch das systematische Töten. Auf einem der Gehöfte, wo bewaffnete Krieger den Hilfstruppen aufgelauert und drei der Soldaten getötet hatten, bevor die Truppen notgedrungen den Rückzug angetreten und Unterstützung angefordert hatten, wurden sämtliche erwachsenen Männer gehängt. Die Frauen hingegen blieben verschont; sie zu hängen hätte nämlich bedeutet, ihren Status als Kriegerinnen anzuerkennen, und wenn Scapula nicht zu dieser Anerkennung bereit war, dann waren es seine Untergebenen auch nicht. Die Nachricht von der ungeheuren Brutalität der Vergeltungsmaßnahmen verbreitete sich wie ein Lauffeuer, hielt andere aber nicht davon ab, gegen die römischen Besatzer zu rebellieren. Da, wo die Erwachsenen durch Angst gebremst wurden, inszenierten die Kinder kurz entschlossen ihre eigenen Revolten, indem sie Steine und Stöcke nach den Soldaten der Hilfstruppen schleuderten. Immer waren es die Halbwüchsigen, die kurz vor ihren Kriegerprüfungen standen, die als Erste losstürmten - all jene Jungen und Mädchen, die in einem freien Land aufgewachsen waren, die von klein auf davon geträumt hatten, Helden zu werden, die Schwerter ihrer Ahnen zu schwingen und es einfach nicht ertragen konnten, nun sowohl ihre Hoffnungen als auch die Schwerter zerstört zu sehen. Zwar war die Order ergangen, dass Kinder von jeglicher Gewaltanwendung verschont bleiben sollten, aber der Grat war schmal, und beide Seiten wussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war.
Um die Mitte des Monats, nachdem ein fünfter Kavallerist durch einen untröstlichen Krieger den Tod gefunden hatte, erteilte Scapula den Befehl, dass die Hingerichteten nicht mehr nach den Riten ihres Stammes bestattet werden durften, sondern ihre Leichen stattdessen als Warnung und zur Abschreckung draußen vor den Gehöften aufgehängt werden sollten. Weder der Statthalter Roms noch irgendeiner der Offiziere machte jedoch irgendwelche Angaben über die Höhe, von der die Leichen herabhängen sollten, und die Soldaten der Hilfstruppen, zur Eile genötigt, zogen sie nicht sonderlich hoch, so dass es nicht lange dauerte, bis Wölfe aus den Wäldern bis zu den Weiden vorgedrungen waren, auf der Suche nach leichter Beute. Bald wurden Orte, die bisher sicher gewesen waren, gefährlich, und jede Nacht mussten jeweils vier Männer aus jeder Schwadron auf den Pferdekoppeln Wache halten, wo die jungen Militärpferde grasten. Die Stimmung unter den Truppen wurde zunehmend gereizt, und Ungeduld und Intoleranz machten sich breit. Neben den Frauenhäusern wurden nun auch immer häufiger die Rundhäuser in Schutt und Asche gelegt. Dicker Qualm stieg in den tristen grauen Himmel auf und machte das Atmen beschwerlich.
Valerius’ Dienstgrad sorgte zwar dafür, dass er von der Nachtwache auf den Pferdekoppeln freigestellt war, aber er befreite ihn nicht von der Last der Verantwortung und verhalf ihm auch nicht zu ruhigem, erholsamem Schlaf. Bei seiner Rückkehr von dem Angriff auf Heffydds Gehöft - den Fluch der Großmutter noch immer qualvoll laut und schrill in den Ohren - war er in den dem Lichtgott geweihten Keller unterhalb des Hauses des Zenturios in Camulodunum hinuntergegangen und hatte
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