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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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immer außer Reichweite des Messers, blieb er schließlich stehen und salutierte - etwas, was er in letzter Zeit nur noch selten tat.
    In seltsam steifem, förmlichem Ton sagte er: »Ich bin nicht gekommen, um dich bei deinen nächtlichen Wanderungen zu stören. Es gibt hier genügend Koppeln für uns beide. Wir brauchen nur in entgegengesetzte Richtungen zu gehen.«
    »Danke. Nur einen Moment noch.« Valerius schob sein Messer in die Scheide zurück. Es war ein einfaches Messer, das aus der Waffenkammer der Festung stammte. Das Heft war aus Ulmenholz, der Knauf aus schlichtem Eisen, bedruckt mit dem Steinbock, dem Wappentier der Quinta Gallorum. Valerius hatte sich noch nicht so ganz an das Gefühl des Messers in der Hand gewöhnt. Er ließ seinen Handballen auf dem Heft ruhen und rieb mit dem Daumen über das Holz. »Ich habe gehört, euer Dekurio hätte heute ein schwangeres Mädchen gehängt. Stimmt das?«
    »Ja. Mich wundert bloß, dass du davon gehört hast. Bei all dem Gemetzel um uns herum hätte ich nicht gedacht, dass der Tod eines Opfers mehr oder weniger noch eine so große Rolle spielte, dass er sich bis zu Julius Valerius herumsprechen würde. Oder ist es so, dass er, ähnlich wie die Träumer der Einheimischen, alles weiß?«
    Longinus hörte sich missmutig, erschöpft und wütend an, und zwar ebenso wütend auf sich selbst wie auf andere. Valerius trat aus dem Schatten der Hecke heraus und ging ein Stück weit daran entlang - so wie es auch sein Gesprächspartner tun musste -, bis er zu der schmalen Lücke gelangte, wo ein Mensch sich gerade noch durchzwängen konnte, ein Pferd jedoch nicht. Als er und Longinus sich dort trafen, sagte er: »Ich weiß nur das, was die Männer mir erzählen, nämlich dass deine Truppe in nördliches Eceni-Territorium eindrang und dort auf Widerstand stieß - oder auch Widerstand hervorrief. Dass von den zweiunddreißig Männern, die ausritten, nur acht lebend zurückkehrten, und dass du einer von diesen acht warst.« Valerius hatte zwar nicht danach gefragt, aber der Soldat, der ihm die Informationen gab, hatte es für notwendig gehalten, ihm dies mehrfach zu sagen, als ob es ihn kümmern würde. »Ich weiß, dass der Dekurio, der den Befehl zu der Exekution gab, unter den Ersten war, die von den Einheimischen niedergemetzelt wurden, und dass du verwundet wurdest, aber nicht tödlich. Es wundert mich nur, dass du inmitten dieses ganzen... Blutbades noch die Zeit findest, um ein totes Mädchen zu trauern.«
    »Das wundert dich? Dann hast du keine Ahnung von thrakischem Ehrgefühl. Sie war fünfzehn, vielleicht sechzehn, also noch kaum erwachsen. Sie trug die Kriegerzöpfe im Haar, aber noch keine Kriegerfedern. Sie hatten ihren Liebsten getötet, von dem sie ein Kind erwartete, und sie wachte über seinen Leichnam, so wie ein Hund den Herrn bewacht, den er liebt. Drei Männer waren nötig, um sie zu überwältigen, und einer von ihnen wurde bei dem Handgemenge getötet. Der Dekurio gab daraufhin den Befehl, das Mädchen zusammen mit den Kriegern zu hängen. Sie war schwanger, Valerius, und es spielte überhaupt keine Rolle!«
    Die erste Frau, das erste Kind. Die letzte moralische Schranke niedergerissen. Wenn Valerius nicht so höllisch müde gewesen wäre, hätten ihn diese Dinge vielleicht stärker berührt. »War das der Auslöser für die Gewalttätigkeiten?«
    »Ja. Die Leute waren nicht dazu bereit, tatenlos daneben zu stehen und das Mädchen sterben zu sehen. Wäre sie mein gewesen, ich hätte auch für sie getötet.« Longinus spuckte zornerfüllt aus. »Römer! Sie glauben, Frauen und Kinder eignen sich im Krieg besonders gut als Opfer, und alles unter einer Kreuzigung riecht nach unangebrachter Milde. Und uns nennen sie Barbaren!«
    Ihr könntet ebenso ihre Kinder kreuzigen .
    Es ist gut möglich, dass es auch dazu noch kommt.
    Dicker Nebel hing über der Nacht, Kälte und unbewältigte Träume. Valerius starrte blicklos ins Leere und wartete darauf, dass sich in seinem Inneren Zorn oder Bedauern regen würden oder ein gewisses Verständnis für den Schmerz, wartete darauf, angesichts der Tatsache, dass so viele von den Eceni den Tod gefunden hatten, von Entsetzen übermannt zu werden. Doch er empfand nichts - nichts außer Müdigkeit und Ahnungen von kommenden, noch schlimmeren Gräueltaten. Nach einer Weile, als seine Gedanken wieder zu Longinus zurückschweiften, fragte er: »Hast du Töchter?«
    »Nein.« Die Antwort wurde in scharfem Ton gegeben, als

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