Das Schwert der Keltin
sicher konnte er sich nicht sein, und außerdem hatte Valerius seinen Stolz. Den hatte der Fluch der Großmutter ihm nicht rauben können. Der Sprung eines bewaffneten Mannes in voller Rüstung auf ein galoppierendes Pferd war eine Meisterleistung, die von Kavalleristen und Kriegern gleichermaßen gefeiert wurde, und sie alle hatten - auch wenn sie noch so sehr mit Tod und Überleben beschäftigt waren - das dumpfe, an Donnergrollen erinnernde Hufgetrommel von einer großen Menge galoppierender Pferde vernommen. Vor den Augen seines Gottes, seiner Feinde und jener, die vielleicht seine Freunde waren, vollführte Julius Valerius, Duplikarius der dritten Schwadron der Fünften Gallischen Kavallerie, Diener Mithras’ und des Kaisers, eine fast perfekte Aufsitz-Übung auf ein galoppierendes Pferd nach Art der Kavallerie, dicht gefolgt von einer Herde, die ihn zu Brei zerstampft hätte, wenn er bei dem Sprung auf den Rücken seines Schecken abgerutscht und unter ihre Hufe gestürzt wäre. Später dachte er, dass das Ganze noch besser ausgesehen hätte, wenn er seinen Schild nicht weggeworfen hätte.
Nur Longinus wusste, was Valerius vorhatte. Der Thraker schrie sich regelrecht heiser bei dem Versuch, die Soldaten von der Barriere wegzutreiben. Um von dort fortzukommen, mussten sie entweder mit aller Gewalt vorwärtsdrängen und sich gegen den Strom der Krieger stemmen, um Platz zu schaffen, oder seitwärts in Sumpf oder Wald ausweichen. Die Männer taten alles drei, und viele von ihnen kamen dabei ums Leben. Diejenigen, die überlebten, beobachteten, wie ihr Duplikarius seinen Schecken zum Sprung über ein Hindernis antrieb, das ihm bis an die Brust reichte und keinen freien Blick auf das gestattete, was auch immer sich dahinter befand, und sahen dann, wie sich das Pferd sammelte und sprang. Drei Dutzend der nächsten Pferde in der Herde folgten dem Schecken, bevor der Großteil der Tiere vor der Höhe der Barriere zurückscheute und sich abwandte.
Als Valerius mit Krähe über die Barriere hinwegsetzte und für Sekundenbruchteile, die eigentlich so etwas wie ein krönender Augenblick hätten sein sollen, hoch über dem Kampfgetümmel schwebte, schmeckte er den Staub und die Asche des Misserfolgs und wusste wieder einmal, dass sein Gott ihn verlassen hatte. In der Anerkennung der Männer Trost suchend, sah er, wie Longinus von einem herabsausenden Coritani-Schwert am Arm getroffen wurde. Valerius schrie etwas, und der einzige noch unverletzte Mann auf dem Schlachtfeld, der seine Stimme erkannte, hörte ihn und fuhr herum; und so geschah es, dass Corvus, der sich inzwischen bis zu seinem Tribun durchgekämpft und etwas Platz um ihn herum geschaffen hatte, von hinten von einem Speer getroffen wurde und gleich darauf von einem Schwert.
In diesem Augenblick gab Valerius jeden Anschein von Menschlichkeit auf und ließ mit einem gellenden Eceni-Schlachtruf auf den Lippen, der Wildheit und Brutalität des Krähen-Pferdes freien Lauf. Mensch und Pferd töteten gemeinsam, wieder und wieder und wieder. Mindestens einer von ihnen genoss das Abschlachten. Später - in dem kühlen, gut beleuchteten Lazarett, abgeschirmt gegen die Nachwirkungen der Schlacht - sagte Valerius ruhig: »Hast du gewusst, dass sie Marcus Ostorius den Eichenlaubkranz verliehen haben, weil er einem Mitbürger das Leben gerettet hat?«
Es war der höchste Tapferkeitsorden, den man überhaupt erringen konnte. Longinus riss überrascht die Augen auf. »Wen hat er denn gerettet? Auf jeden Fall keinen von den Legionssoldaten - die waren alle tot, und ich bin kein römischer Staatsbürger, deshalb zähle ich nicht. Doch nicht etwa Corvus? Der Tribun hat Corvus gerettet? Ich dachte, ich hätte ihn zu Boden gehen sehen.«
»Das hast du auch. Er bekam einen gewaltigen Schwerthieb in den Rücken, kurz bevor du mit voller Wucht gegen den Schildbuckel des Coritani gerannt bist und dadurch außer Gefecht gesetzt wurdest. Als die Pferde die Eceni zurückdrängten, trug Marcus Ostorius ihn hinter die Barriere, und wir haben Corvus anschließend auf einer Tragbahre hierher zurücktransportiert. Du hättest die gleiche Behandlung erfahren, aber du warst im Delirium und wolltest partout nicht von meinem Pferd runter.«
Longinus grinste. Sein Grinsen zerknitterte die verletzte, mit Blutergüssen übersäte Hälfte seines Gesichts, und man sah ihm an, wie schmerzhaft dies für ihn war. »Es war die einzige Chance meines Lebens, deinen Killer-Hengst zu reiten, und auf die
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