Das Schwert der Keltin
ihre unberittenen Kameraden von den Hilfstruppen wie eine Flutwelle zu überrollen. Marcus Ostorius befand sich mitten in dem wilden Kampfgetümmel; er hatte sich von der Barriere aus ein paar Schritte vorgekämpft, kam aber nicht weiter. Ganz in der Nähe kämpfte Corvus verzweifelt darum, zu ihm zu gelangen. In blaue und grüne Umhänge gehüllte Krieger umzingelten die beiden. Es schien nicht sehr wahrscheinlich, dass einer der beiden Männer überleben würde.
Valerius tötete eine Frau mit kupferrotem Haar und blickte dann an ihr vorbei, um Longinus Sdapeze auf seiner Schildseite vorzufinden. Der Mann war heil und unversehrt, abgesehen von einem Bluterguss über einer Augenbraue, wo sein Helm dank eines kräftigen Schwerthiebs auf den Kopf gegen seine Stirn geprallt war. Mit einem grimmigen Grinsen sagte er: »Was die können, das können wir auch. Wir könnten sie überrumpeln, indem wir von hinten über sie herfallen und sie ein für alle Mal kaltmachen. Wir sind genügend Männer, oder zumindest beinahe.« Er hob einen Arm und brüllte etwas auf Thrakisch. Ein Dutzend weiterer Soldaten seines Flügels kam auf ihn zugerannt.
Valerius schüttelte den Kopf. »Nein. Zähl sie lieber erst mal - dort unten sind weniger als die Hälfte der Eceni. Glaubst du allen Ernstes, der Fuchs und seine Krieger sind geflohen? Ich nicht. In dem Moment, in dem wir mitten im Kampfgetümmel stecken, in dem Moment, in dem es tödlich für uns sein würde, unseren Gegnern den Rücken zuzukehren, werden sie abermals angreifen, und wir werden zwischen zwei feindlichen Kampfverbänden eingekeilt sein und regelrecht zermalmt werden.«
»Aber was sollen wir sonst tun? Hast du eine andere Idee?«
»Wir laufen zu den Pferden und kämpfen hoch zu Ross, so wie wir es schon von Anfang an hätten tun sollen. Es ist unsere einzige Hoffnung.«
Longinus lachte. »Deine Hoffnung vielleicht, aber nicht unsere. Nicht alle von uns reiten Killer-Pferde. Meine Stute ist zwar gut, aber sie würde niemals hier hereinkommen.« Er hob eine Hand zum Salut der Kavalleristen. »Hol du die Pferde. Dir und deinem gescheckten Untier werden sie ganz sicherlich folgen. Ich werde diejenigen Männer mitnehmen, die bereit sind, mir zu folgen, und sehen, ob wir nicht an den Tribun herankommen können. Der Statthalter wird es uns nicht danken, wenn wir ihm nicht wenigstens die Leiche seines Sohnes zurückschicken.«
Valerius grinste und erwiderte den Gruß. »Achte darauf, dass das Gesicht des Goldjungen nicht verunstaltet wird, wenn sie ihn abschlachten. Du musst dich vergewissern, dass er auch als Leichnam immer noch ein erfreulicher Anblick ist.«
Keiner von ihnen rechnete ernsthaft damit, dass er mit dem Leben davonkommen würde. Im Krieg handeln Menschen manchmal auf eine Art und Weise, die sich später als offenkundiger Wahnsinn erweist, dennoch empfinden sie ihr Vorgehen zu jenem Zeitpunkt als durchaus vernünftig. Zwischen der Lachsfalle und den Wäldern, wo die Pferde standen, waren keine Krieger. Valerius warf seinen Schild einem Soldaten der thrakischen Hilfstruppe zu, der ihn sicherlich dringender brauchte als er, und rannte los.
Die Kavalleriepferde waren in der Obhut eines Dutzends Gallier zurückgelassen worden, die jedoch allesamt getötet worden waren. Die Pferde selbst waren nicht angerührt worden; abgesehen von ihren Kindern schätzten die Eceni Pferde über alles, und sie würden Tieren, die gutes Blut in ihre Herden bringen konnten, niemals etwas antun. Es warteten aber keine Krieger in ihrer Nähe, da sie offenbar keine Notwendigkeit dafür sahen, die Tiere zu bewachen. Die Pferde waren speziell für Gefechte abgerichtet; sie standen neben den Leichen der Männer, die bis zuletzt ihre Herren gewesen waren, und sie würden auch weiterhin dort ausharren, es sei denn, sie wurden von einer Stimme gerufen, die sie kannten. Valerius’ Stimme war den Tieren wohlvertraut. Er fand sich ganz allein auf der freien Fläche zwischen Bäumen und Marsch wieder und sah, wie das Krähen-Pferd den Kopf hob, um ihn anzublicken. Würgend und völlig außer Atem vom Laufen, mit dem metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge, hob er zwei Finger an den Mund und pfiff.
Genau wie Longinus es vorhergesagt hatte, folgte die Herde ihrem Führer. Krähe kam im gestreckten Galopp herbei, und die restlichen überlebenden Tiere der beiden Kavallerieflügel liefen hinter ihm her. Sie wären möglicherweise stehen geblieben, wenn er es ihnen befohlen hätte, aber
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