Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
allen Stämmen verehrten allein sie noch vor der Mutter Erde den gehörnten Gott. Der Blick des Jungen traf auf Valerius’ und bat ihn stumm um Hilfe. Unzählige andere in den Dörfern der Trinovanter hatten Valerius schon auf die gleiche Art angefleht, doch er hatte sie alle ignoriert, hatte ihre Schwestern niedergemetzelt und die Bettelnden, ob sie ihn nun laut anriefen oder nur im Stillen anflehten, gehängt. Damals war nicht der Atem seines Gottes in seinen Ohren ertönt, und es war auch kein Bulle da gewesen, vor dem er den Blick gesenkt hatte.
    Für seinen Gott, nicht für den dunkelhaarigen Jungen oder seinen Hund, trieb Valerius nun sein Pferd noch näher an das Tor heran und rief: »Umbricius, lass den Bullen in Frieden!«
    Der Gallier war zweifach bewaffnet. In jeder seiner Hände blitzte ein kurzes Wurfmesser. Er war der Sohn eines Fischers, und wo andere Männer selbst mit dem richtigen Messer, dem richtigen Abstand und genügend Übung ein Ziel anvisieren konnten und doch nur dann und wann trafen, konnte Umbricius jedes beliebige Messer schleudern und traf sein Ziel stets mit nicht mehr als höchstens einer Fingerbreite Abweichung. Von einem Gürtel, den er sich über die Schulter geworfen hatte, hingen noch drei weitere kurze, breite Klingen hinab. Es war bekannt, dass Umbricius immer neun Messer bei sich trug; neun, die Zahl des Glücks. Von den verbleibenden vier lagen drei auf dem Gras um den Bullen herum verteilt. Das letzte Messer, welches er geworfen hatte, ragte zitternd aus einer der kräftigen Schultern des Tieres heraus.
    »Umbricius, lass es sein! Das ist ein Befehl!«
    Umbricius jedoch ignorierte Valerius.
    Das Gatter war geschlossen worden, und es war nicht genügend Platz, als dass Valerius’ Schecke hätte darüber hinwegspringen können. Die Gallier drängten sich noch dichter zusammen, und keiner von ihnen rührte sich, um den Thrakern Platz zu machen. Irgendwo im Hintergrund hatte sich zwar bereits Valerius’ Truppe versammelt, aber sie waren zu wenige und zu weit entfernt, und ohnehin hätte sich niemand von ihnen bis zum Pferchgatter vordrängen können. Valerius und Longinus befanden sich also ganz allein inmitten vieler Gallier.
    »Hol Corvus«, sagte Valerius auf Thrakisch und ohne sich umzublicken. Der Heulen in seinen Ohren übertönte sogar seine eigene Stimme.
    »Ich lasse dich hier nicht allein«, widersprach Longinus.
    »Doch, das wirst du. Ich befehle es dir. Wenn du dich darüber hinwegsetzt, werde ich dich gemeinsam mit dem Gallier auspeitschen lassen. Also tu es.«
    Für die Länge eines Atemzuges trat Schweigen ein, Raum, in dem Entsetzen und Reue aufflackerten und das Wissen, dass es Valerius nun, unter diesen Zeugen, unmöglich war, seine Androhung wieder zurückzuziehen. Auf Thrakisch sagte Valerius noch einmal: »Geh einfach. Bitte.«
    Longinus salutierte steif, und seine kastanienbraune Stute bewegte sich von dem Gatter fort. Die Gallier waren wesentlich bereitwilliger, die Stute nun ziehen zu lassen, als sie sie zunächst in ihre Reihen gelassen hatten.
    Valerius dirigierte sein Krähen-Pferd seitwärts zum Pferchtor. »Umbricius, wenn ich jetzt erst noch reinkommen muss, um dich da rauszuholen, wirst du das bitterer bereuen als alles andere in deinem Leben.«
    »Der Bulle gehört mir. Der Junge hat mich beleidigt.«
    Plötzlich stellte Valerius fest, dass er den Jungen mochte. Er hob seine Stimme, um sie noch weiter hallen zu lassen. »Wie das? Hast du versucht, ihn dir zu nehmen, und er hat sich geweigert? Jeder normaler Mensch mit Augen im Kopf würde dich doch abweisen. Dafür, dass er ein solch hohes Maß an gesundem Menschenverstand bewiesen hat, sollte man ihm einen halben Jahressold im Voraus geben und ihm einen Platz im Flügel unserer Kavallerie anbieten.«
    Aus dem dicht zusammengedrängten Haufen ertönte vereinzeltes Gelächter. Umbricius errötete, ließ sich ansonsten jedoch nichts anmerken. »Ich habe nicht …«
    »Ach, wirklich? Dann also der Bulle? Ich glaube aber, selbst wenn du ihm nun die Augen ausstichst, wird er nicht williger. Sieh den Tatsachen ins Gesicht. Du wirst die heutige Nacht allein verbringen und auch alle anderen Nächte, die auf die heutige folgen werden, außer, wenn einer von Caratacus’ Speeren endlich den Panzer von getrockneter Ziegenscheiße trifft, der dein Herz umgibt, und ihn aufbricht. Und nun verschwinde da aus dem Pferch. Wenn du jetzt gehst, solange Longinus noch unterwegs ist, braucht keiner zu erfahren, dass

Weitere Kostenlose Bücher