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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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aufgetragen hätte und der Regen diese wieder hätte zerlaufen lassen. Dann senkte der Bulle seine Hörner abermals und ging auf Valerius los. Nun wirkte er ganz und gar nicht mehr sanftmütig, schien nur allzu deutlich Zorn zu empfinden.
    Die Gegenwart schien sich zu teilen, und es entstanden zwei Welten zugleich: In der einen spielte sich alles mit einer unwahrscheinlichen Geschwindigkeit ab, in der anderen ging alles unendlich langsam, und in jeder dieser Welten begegnete Valerius seinem Tod und entkam ihm doch gleich wieder. In der langsameren der beiden Welten erkannte er die kleinen Besonderheiten dieses Augenblicks: den Wechsel in der Tonlage der Stimme seines Gottes, die noch immer in seinem Ohr hallte, und die nun eine tiefere Nuance annahm, etwas ruhiger erschien und einen geradezu lieblichen Auftakt zu seinem eigenen Tod bildete; die von den oberen Zweigen der Eichen plötzlich aufflatternden Krähen, wo Valerius doch zuvor überhaupt nicht bemerkt hatte, dass ihn Vögel beobachteten; das helle Aufeinanderklirren der Waffen, als die ganz in Gedanken verlorenen Männer mit dem unerwarteten Auftreten eines Offiziers rasch wieder Haltung annahmen; den Klang von Corvus’ Stimme, wie dieser ihm etwas zurief.
    »Bán! Im Namen aller Götter, komm da raus!«
    Es war der falsche Name, und er war in der falschen Sprache gerufen worden, doch mit einer solch großen Sorge um ihn, wie Valerius sie schon seit mehr als vier Jahren nicht mehr gehört hatte. Der Schock aber zerrte die beiden Welten nun noch weiter auseinander.
    Gleich darauf ertönte auch Longinus’ Stimme, doch auch sie konnte die entstandene Kluft nicht mehr überbrücken. »Julius! Du verdammter Idiot, hau ab da!«
    Aber Valerius bewegte sich bereits. In der schnelleren der beiden Welten stürmte ein Bulle, den Mithras gesandt hatte, um ihn zu töten, mit der Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes auf ihn zu. Nur deshalb, weil Valerius jahrelang auf dem Rücken eines Pferdes gekämpft hatte, das sich mit der Geschmeidigkeit einer Schlange zu bewegen verstand, konnte er sich nun reflexartig zur Seite werfen, auf den Boden, dort einmal um seine eigene Achse wirbeln und neben Umbricius wieder auf die Füße springen. Wie in den besten aller Schlachten, verlieh die Angst Valerius auch diesmal ein ganz besonderes Feuer, ließ ihn über sich selbst hinauswachsen. Mit seinem Schwert schon fest in den Händen, kam er wieder auf die Beine, und allein die Anwesenheit Corvus’ hielt ihn davon ab, mit der Klinge nun Umbricius zu durchbohren. Dies erkannte auch der Gallier, und seine Gesichtsfarbe wurde um eine Spur blasser. Valerius lachte. »Lauf zu den Bäumen hinüber. Ich wette mein Leben gegen deines, dass der Bulle schneller ist als wir beide.« Lediglich eine Speerwurflänge lag zwischen ihnen und der Rettung verheißenden Steinmauer. Diese Distanz zu bewältigen war nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich. Umbricius rannte los. Valerius, der noch immer zwischen den beiden Welten gefangen schien, lief nicht, sondern wich nur langsam rückwärts.
    Schon hatte der Bulle das Gatter erreicht. Wenn die Männer, die sich vor dem Tor versammelt hatten, sich ruhig verhalten oder dem Jungen Zeit gelassen hätten, das Tier zu erreichen, wäre der Bulle vielleicht stehen geblieben. Doch die Gallier hatten Angst und waren aufgeregt, und somit stachen sie auf den großen Kopf ein, hieben mit ihren Schwertspitzen und Messern auf das keuchende, rotbraune Tier ein, und der Gott, der doch kein Gott zu sein schien, wirbelte wieder zur Mitte des Pferches herum und griff Valerius abermals an.
    Auch der Junge rannte, zerrte den blauschwarzen Hund am Nackenfell mit sich, doch dann stürzte er über eine Baumwurzel und ließ das Fell des Hundes los. Gefangen zwischen zwei Männern und einem von Zorn erfüllten Bullen sah der Hund nur, dass jener Mann, den er gerade so leidenschaftlich zu hassen begonnen hatte, davonlief, er ihn aber noch einholen konnte.
    Im Pantheon der Geschöpfe des Gottes war nur der Hund noch schneller als der Bulle. Valerius sah, wie der Rüde in seine Richtung rannte, und wusste doch, dass nicht er das Ziel dieser Jagd war. In der langsameren Welt, in der sein Verstand plötzlich klar denken konnte, sah er den Tod des Galliers und den darauf folgenden, nur unendlich viel langsamer und qualvoller vonstatten gehenden Tod eines Hundes und eines dunkelhaarigen Jungen, der in der gleichen Haltung neben seinem Tier gekniet hatte wie der Gott auf

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