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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Gott zeigte sich ihm.
    Valerius betete also. Er wusste einfach nicht, was er sonst hätte tun sollen, und der Stier nahm sein Gebet an und verwandelte es in eine göttliche Kraft. Ungeschickt versuchte Valerius, sich das Gefühl dieses Moments tief ins Gedächtnis einzuprägen.
    Dann rief ihm Umbricius herausfordernd etwas zu, und der kostbare Augenblick verblasste mit Übelkeit erregender Schnelligkeit. Von der westlichen Ecke des Feldes ertönte das Jaulen eines jungen Hundes, der der Hysterie nahe war. Von seinem Platz am Gatter konnte Valerius nun erkennen, dass dieser Hund weder gescheckt war noch mehrfarbig und auch kein weißes Ohr hatte. Sein Fell war vielmehr von dem schimmernden Blauschwarz frisch geschlagenen Schiefers, und seine Ohren hatten die runde Form jenes Rüden, der in den Altar an der Wand des Mithraeums eingeschnitzt war, das sich unter dem Haus des ersten Dekurio in Camulodunum verbarg. Der Hund auf dem Altar trank das Blut des abgeschlachteten Stieres. Nun tat der gleiche Hund auf dem Feld vor der Festung der Zwanzigsten Legion im bergigen Land der Cornovii gerade sein Bestes, um das Blut eines gallischen Regimentsschreibers zu trinken oder um es zumindest zu vergießen.
    Umbricius kauerte in der Hocke, den Rücken dem Tor zugewandt, von wo aus er ein paar Schritte in die Koppel hineingegangen war. Der Pferch war nur klein, und ursprünglich hatte man ihn für die besten Tiere des Jungbullenbestandes abgesondert: jene Tiere, die schon zu alt waren, um noch in größeren Gruppen gehalten zu werden, ohne gegeneinander zu kämpfen, aber doch noch zu jung, um den Kampf mit den bereits ausgezeichneten Zuchtstieren um das Recht, die Kühe zu begatten und die Stammväter der Jungtiere der nächsten Saison zu werden, aufnehmen zu können. Eine bröckelige Steinmauer umgab das kreisförmige Gehege. Eichen mit Stämmen, so dick, dass noch nicht einmal drei Männer sie mit ihren Armen umfassen konnten, warfen ihren Schatten darüber, und zwischen ihnen wuchsen in verschlungenen Ranken Heckenrosen, von denen wächsern glänzende Hagebutten hingen, so hell leuchtend wie das vergossene Blut des Opfertieres.
    Das Fell des jungen Stieres, der Umbricius gegenüberstand, war von dunklerem Rot als die Hagebutten und an den Schultern und am Rumpf mit weißen Flecken durchsetzt. Es war ein stolzes Tier, und man konnte leicht erkennen, warum es ausgesondert worden war: um heil und in einem Stück zu bleiben und nicht mit dem Rest geschlachtet, zerteilt und eingepökelt zu werden, damit die Legionen auch im Winter ihr Fleisch bekamen. Seine Hörner beschrieben einen weit ausholenden Bogen nach vorn, und ihre Spitzen waren ganz sauber. Der Stier, oder derjenige, der ihn versorgte, hatte offenbar darauf geachtet, dass sich an seinen Hörnerspitzen keine Haare oder Schlamm und alte Blätter gesammelt hatten. Er brüllte laut, und seine Stimme war die des Gottes, der aus dem Himmel hinab zu den Menschen sprach. Ein Mann, der dieses Brüllen zu deuten wusste, konnte sich die ganze Welt untertan machen.
    Valerius aber hatte keinerlei Vorstellung, was es bedeuten könnte.
    Links von Valerius befand sich Longinus, und seine Götter sprachen mit anderen Stimmen als der eines Stieres. »Wenn Umbricius nicht bald von hier verschwindet, wird sich der Hund noch von dem Jungen losreißen. Und wenn er einen Offizier der Hilfstruppe totbeißt, werden sie sowohl den Hund töten als auch den Jungen aufhängen. Das aber ist Umbricius nicht wert.« Noch niemals hatten Valerius und Longinus über Hunde gesprochen und welchen Stellenwert sie bereits in der Vergangenheit beider Männer gehabt haben mochten; doch das war auch nicht nötig gewesen. Selbst in diesem Moment brauchten sie kein weiteres Wort darüber zu verlieren, um einander trotzdem zu verstehen.
    Valerius hob eine Hand, um seine Augen vor der tief stehenden Sonne zu schützen. Der Hund wurde von einem Jugendlichen festgehalten, den Valerius völlig übersehen hatte, als er das erste Mal hingeschaut hatte. Aber es war auch kein sonderlich hervorstechender Junge. Er hatte dunkles Haar und war von durchschnittlicher Gestalt und Größe. Nichts schien ihn mit Valerius’ Gott zu verbinden, außer, dass er auf seinem linken Bein kniete und die Arme um den Rüden geschlungen hatte.
    Irgendetwas Metallenes blitzte durch die Luft. Der Stier schreckte zurück und stieß abermals einen dumpfen Schrei aus. Der Hund jaulte auf. Der Junge rief irgendetwas in der Sprache der Cornovii. Von

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