Das Schwert der Koenigin
kleine Geschenke. Er war wie ein großer Spielzeugbär. Ein behaarter, stinkender, oft verschwitzter Bär, aber trotzdem ein netter.
Merren hatte während dieser letzten Tage mit Karia das Gefühl gehabt, eine andere Seite an sich selbst zu entdecken. Ihr Leben lang war sie sich dessen sehr bewusst gewesen, wie andere Menschen sie sahen. Die Würde ihrer hohen Stellung bedeutete, dass es keinen Raum für Spaß geben durfte. Ihre Freuden waren ein Staatsbankett oder vielleicht das Erlernen eines besonders schwierigen Gesetzes gewesen. Aber in Karias Gesellschaft fiel all das von ihr ab. Sie konnte sich einfach entspannen und tun, was sie wollte. Und albern zu sein machte Spaß. Alberne Sachen zu sagen oder zu tun – es war einfach gut, zu lachen und sich nicht um die Hintergedanken anderer sorgen zu müssen. Was dies für ihre Herrschaft bedeutete und dafür, wonach sie in ihrem privaten Leben suchen würde, wusste sie nicht. Es war zu früh, um das zu sagen, und außerdem fürchtete sie sich davor, allzu viel darüber nachzudenken. Es war genug, die Zeit hier draußen mit Karia zu genießen – und mit Martil. Er war faszinierend. Sie schaute zu ihm auf und sah, dass er sie und Karia beim Spielen beobachtete. Es war klar, was er dachte. Sie hatte den Plan gefasst, nach Möglichkeit seine freundliche, menschliche Seite zu fördern, aber je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, umso weniger wusste sie, wie weit sie damit gehen sollte. Es war eine Sache, sich zu überlegen, was sie sagen würde – es tatsächlich zu tun war etwas ganz anderes. Schlimmer noch, sie begann sich zu fragen, was sie wollte. Die Konvention und die Bedingungen des Abkommens, das ihr Vater mit Herzogin Ivene getroffen hatte, schrieben vor, dass sie ihre Ehe zu einer Staatsangelegenheit machen musste. Aber inzwischen würde sie am liebsten gegen alles rebellieren, was ihr Vater – und ihre Tante – für sie bestimmt hatten. Als Königin würde sie ihren eigenen Stil prägen, und das schloss vielleicht ein, dass sie selbst wählte, mit wem sie zusammen sein wollte.
Karia war schließlich diejenige, die das Schweigen brach.
»Bitte schön!« Sie hielt Merren die Blumen hin. »Danke, dass du mir hilfst.«
»Du hast gut gelesen«, erwiderte Merren. Die schnellen Fortschritte des Kindes hatten sie überrascht. Ihr Gedächtnis war phänomenal und ihre Auffassungsgabe erstaunlich.
»Danke, aber ich will nicht, dass er denkt, ich wäre so gut, dass er mir nichts mehr vorzulesen braucht«, erklärte Karia in lautem Flüsterton.
Martil konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Ich werde dir vorlesen, solange du willst«, bot er an.
»Das wäre wunderschön!« Karia sprang auf und umarmte ihn.
Martil hatte das Gefühl, dass er etwas zu Karia sagen sollte, dass er sie wissen lassen sollte, wie er empfand. Aber er konnte es einfach nicht aussprechen. Er sah, dass Merren sie beide mit einem Lächeln auf dem Gesicht beobachtete, und wusste, dass es ein perfekter Zeitpunkt war. Aber die Worte wollten nicht kommen. Er kämpfte immer noch mit ihnen, als Wime durch den Wald gestürmt kam.
»Majestät, Hauptmann Martil, Graf Sendric ist zurück«, rief er.
Martil hatte ein flaues Gefühl im Magen, als sie zu Merrens Höhle zurückeilten, um mit Conal und Sendric zu sprechen. Zuvor hatte Sendric Vögel benutzt, um Berichte zu den Höhlen zu schicken. Die Tatsache, dass er persönlich zurückgekehrt war, konnte nichts Gutes bedeuten.
»Die Stadt ist in Aufruhr. Während der letzten Tage ist ein steter Strom von Bauern in die Stadt gekommen und hat verbreitet, dass Havricks Männer Bauernhöfe niederbrennen, Frauen vergewaltigen, Vieh stehlen und jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt. Jetzt treiben Bauern ihr Vieh in die Stadt, um den Plünderungstrupps zu entgehen. Der Stadtrat befürchtet, dass es in diesem Winter eine Hungersnot geben wird, da zu wenige Bauernhöfe übrig sind, um die Stadt zu versorgen«, verkündete Sendric.
»Wir können nicht zulassen, dass das so weitergeht«, erklärte Merren, genau wie Martil es vorhergesehen hatte. »Hauptmann, was sollen wir tun?«
Martil seufzte. Das war es, worauf er gehofft hatte – aber waren seine Männer dafür bereit? Er würde es bald herausfinden.
»Wir müssen Barrett und Tariks Bogenschützen zurückrufen. Ich brauche ein klares Bild von dem, was Havricks Männer tun und wo. Dann können wir entscheiden, wie wir vorgehen wollen«, sagte er bedächtig.
»Ich kann Barrett holen!«, meldete
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