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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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und in den Ohren das Tosen der Brandung und die durchdringenden, wilden Schreie der Möwen.
    Rittersporn redete unermüdlich, pausenlos, sprang von einem Thema zum anderen und brachte praktisch keins zu Ende. Er erzählte vom Lande Bars, wo ein dummer Brauch von den Mädchen verlangt, dass sie bis zur Eheschließung ihre Keuschheit bewahren, von den eisernen Vögeln der Insel Inis Porhoet, von Lebenswasser und totem Wasser, vom Geschmack und den seltsamen Eigenschaften des saphirfarbenen Weins, der Cill genannt wird, von den königlichen Vierlingen aus Ebbing, schrecklichen, aufdringlichen Bengeln namens Putzi, Mitzi, Gritzi und Juan Pablo Vassermiller. Er erzählte von den neuen Richtungen in Musik und Poesie, die seine Konkurrenten aufgebracht hatten und die er für Vampire hielt, die die Bewegungen des Lebens nachahmten.
    Geralt schwieg. Essi schwieg auch oder antwortete wortkarg. Der Hexer spürte ihren Blick auf sich. Einen Blick, dem er auswich.
    Über den Fluss Adalatte setzten sie auf einer Fähre, wobei sie selber das Seil ziehen mussten, denn der Fährmann befand sich im Zustande pathetisch besoffener, leichenweißer, starr-bebender, in den Abgrund starrender Blässe, er konnte den Pfeiler an der Kabine, wo er sich mit beiden Händen festhielt, nicht loslassen, und auf alle Fragen, die man ihm stellte, antwortete er mit einem einzigen Wort, das wie »wurg« klang.
    Das Land am anderen Ufer der Adalatte gefiel dem Hexer – die sich am Fluss entlangziehenden Dörfer waren größtenteils von Palisaden umgeben, und das verhieß gewisse Chancen, Arbeit zu finden.
    Als sie am frühen Nachmittag die Pferde tränkten, kam Äuglein auf ihn zu; sie machte sich den Umstand zunutze, dass Rittersporn sich entfernt hatte. Der Hexer schaffte es nicht, sich zu entfernen. Sie überraschte ihn.
    »Geralt«, sagte sie leise. »Ich ... ich halte es nicht mehr aus. Es geht über meine Kraft.«
    Er versuchte, den Blick in ihre Augen zu vermeiden. Sie ließ es nicht zu. Sie stand vor ihm, spielte mit der blauen Perle, die, in eine silberne Blüte gefasst, an ihrem Hals hing. Sie stand so da, dass er es abermals bedauerte, dass es nicht der Fischäugige mit dem unter Wasser verborgenen Säbel war.
    »Geralt ... Wir müssen was dagegen tun, nicht wahr?«
    Sie wartete auf seine Antwort. Auf Worte. Auf ein kleines Opfer. Doch der Hexer hatte nichts, was er ihr sagen konnte, er wusste es. Er wollte nicht lügen. Aber ihm blieb wirklich nichts weiter übrig, denn er brachte es nicht fertig, ihr wehzutun.
    Rittersporn rettete die Situation, der unfehlbare Rittersporn, der plötzlich auftauchte. Rittersporn mit seinem unfehlbaren Taktgefühl.
    »Aber klar doch!«, brüllte er und warf mit Schwung das Stöckchen ins Wasser, mit dem er das Schilf und die großen am Flusse wachsenden Brennnesseln beiseitegeschoben hatte. »Aber klar doch müsst ihr was dagegen tun, es wird höchste Zeit! Ich habe keine Lust, mir länger anzusehen, was sich zwischen euch abspielt! Was erwartest du von ihm, Püppchen? Das Unmögliche? Und du, Geralt, worauf rechnest du? Darauf, dass Äuglein deine Gedanken liest, so wie ... So wie die andere? Und dass sie sich damit zufriedengibt und du dich fein ausschweigen kannst, nichts zu erklären brauchst, nichts klarzustellen, nichts abzuschlagen? Dich nicht bloßzustellen brauchst? Wie viel Zeit, wie viel Tatsachen braucht ihr beiden, um es zu begreifen? Und wann wollt ihr einander begreifen, in ein paar Jahren, in der Erinnerung? Denn morgen müssen wir uns ja trennen, zum Teufel! Och, mir reicht’s, bei den Göttern, ihr steht mir beide bis hier, bis hier, so! Gut, hört zu, ich brech mir jetzt eine Haselrute und geh angeln, und ihr werdet eine Weile ganz für euch allein haben, werdet euch alles sagen können. Sagt euch alles, versucht, einander zu verstehen. Das ist nicht so schwer, wie es euch vorkommt. Und später, bei den Göttern, tut es. Tu es mit ihm, Püppchen. Tu es mit ihr, Geralt, und sei gut zu ihr. Und dann, verdammt, seid ihr entweder drüber hinweg, oder ...«
    Rittersporn wandte sich heftig ab und ging fort, wobei er das Unterholz zerbrach und fluchte. Er machte sich aus einem Haselzweig und Pferdehaar eine Angel und fischte bis zum Einbruch der Dunkelheit.
    Als er ging, standen Geralt und Essi lange da, an eine verkrüppelte Weide gelehnt, die sich über den Fluss neigte. Sie standen da und hielten sich bei den Händen. Dann sprach der Hexer, er sprach leise und lange, und Äugleins Äuglein

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