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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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waren voller Tränen.
    Und dann, bei den Göttern, taten sie es, sie und er.
    Und alles war gut.

X
    Tags darauf veranstalteten sie so etwas wie ein Festessen. In einem Dorf, durch das sie kamen, kauften Essi und Geralt ein zubereitetes Lamm. Während sie handelten, stahl Rittersporn aus dem Gemüsegarten hinter der Hütte Knoblauch, Zwiebeln und eine Möhre. Im Fortreiten ließen sie noch einen kleinen Kessel vom Zaun hinter der Schmiede mitgehen. Der Kessel war ein bisschen löchrig, doch der Hexer lötete ihn mit dem Zeichen Igni zu.
    Das Festmahl fand auf einer Lichtung in der Tiefe des Waldes statt. Das Feuer knisterte fröhlich, der Kessel blubberte. Geralt rührte darin sorgfältig mit einem entrindeten Kiefernast als Kochlöffel. Rittersporn häutete die Zwiebeln und putzte die Möhre. Äuglein, die vom Kochen keine Ahnung hatte, ließ ihnen die Zeit kurz werden, indem sie auf der Laute spielte und unanständige Couplets sang.
    Es war ein Abschiedsessen. Denn am Morgen sollten sie sich trennen, jeder seinen eigenen Weg einschlagen, um etwas zu finden, das sie doch schon hatten. Aber sie wussten nicht, dass sie es hatten, sie ahnten es nicht einmal. Sie ahnten nicht, wohin sie ihre Wege führen würden, auf die sie sich frühmorgens machen sollten. Jeder für sich allein.
    Als sie gegessen hatten, das von Drouhard mitgegebene Bier getrunken, geschwatzt und gelacht hatten, veranstalteten Rittersporn und Essi einen Sängerwettstreit. Geralt, die Hände unterm Kopf, lag auf dem Lager aus Fichtenzweigen und dachte, dass er noch nie so schöne Stimmen und gleichermaßen schöne Balladen gehört habe. Er dachte an Yennefer. Er dachte auch an Essi. Er hatte eine Vorahnnung, dass ...
    Zum Schluss sang Äuglein zusammen mit Rittersporn das berühmte Duett von Cyntia und Vertvern, ein großartiges Liebeslied, das mit den Worten »Hab schon mehr als eine Träne ...« begann. Geralt schien es, als neigten sich sogar die Bäume, um den beiden zuzuhören.
    Dann legte sich Äuglein, nach Eisenkraut duftend, neben ihn, schmiegte sich an ihn, legte ihm den Kopf auf die Brust, seufzte ein-, zweimal und schlief ruhig ein. Der Hexer schlief viel, viel später ein.
    Rittersporn, den Blick ins niederbrennende Feuer gerichtet, saß noch lange da, allein, und klimperte auf der Laute.
    Es begann mit ein paar Takten, aus denen sich eine anmutige, ruhige Melodie bildete. Der Vers, der zur Melodie passte, entstand zugleich mit ihr, die Worte fügten sich in die Musik ein, blieben in ihr wie Insekten in golden durchsichtigen Stückchen von Bernstein.
    Die Ballade handelte von einem gewissen Hexer und einer gewissen Dichterin. Davon, wie der Hexer und die Dichterin sich am Meeresufer getroffen hatten, von Möwenschreien umgeben, wie sie sich auf den ersten Blick verliebt hatten. Davon, wie schön und stark ihre Liebe war. Davon, dass nichts imstande war, diese Liebe zu überwinden und sie zu trennen, nicht einmal der Tod.
    Rittersporn wusste, dass kaum jemand die Geschichte glauben würde, von der die Ballade erzählte, doch das kümmerte ihn nicht. Er wusste, dass Balladen nicht geschrieben werden, damit man an sie glaubt, sondern damit man von ihnen gerührt ist.
    Ein paar Jahre später hätte Rittersporn den Inhalt der Ballade ändern können, schreiben, was wirklich geschehen war. Er tat es nicht. Denn die wahre Geschichte hätte niemanden gerührt. Wer hätte schon hören wollen, dass der Hexer und Äuglein sich trennten und einander nie mehr begegneten? Dass Äuglein vier Jahre später während einer in Wyzima wütenden Seuche an den Pocken gestorben war? Davon, wie er, Rittersporn, sie auf Händen zwischen den auf Scheiterhaufen brennenden Leichen hindurch fortgetragen und weit von der Stadt, im Walde, einsam und still begraben hatte, und zusammen mit ihr, wie sie es gewollt hatte, zwei Dinge – ihre Laute und ihre blaue Perle. Die Perle, von der sie sich niemals getrennt hatte.
    Nein, Rittersporn blieb bei der ersten Version der Ballade. Doch auch die sang er niemals. Niemals. Für niemanden.
    Gegen Morgen, noch in der Dunkelheit, schlich sich ein hungriger und wütender Werwolf an das Lager heran, doch er bemerkte, dass das Rittersporn war, der da sang, also hörte er ein Weilchen zu und ging seiner Wege.
     

Das Schwert der Vorsehung
I
    Den ersten Leichnam fand er gegen Mittag. Es kam selten vor, dass der Anblick von Ermordeten den Hexer erschütterte; viel öfter ergab es sich, dass er die Leichen völlig gleichgültig

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