Das Schwert der Vorsehung
bleibst du in diesem Walde nicht bis morgen am Leben. Hast du das noch nicht verstanden?«
»Rühr mich nicht an!«, plusterte sie sich auf. »Du Bauernlümmel, du! Ich bin eine Prinzessin, dass du’s nur weißt!«
»Eine dumme Rotznase bist du.«
»Ich bin eine Prinzessin!«
»Prinzessinnen laufen nicht allein durch den Wald. Prinzessinnen haben saubere Nasen.«
»Ich lass dir den Kopf abschlagen! Und der da auch!« Das Mädchen wischte sich mit der Hand die Nase ab und blickte die herbeikommende Dryade feindselig an. Braenn brach in Gelächter aus.
»Na schön, genug herumgeschrien«, unterbrach der Hexer das Mädchen. »Warum bist du weggelaufen, Prinzessin? Und wohin? Wovor hast du Angst?«
Sie schwieg und zog Rotz die Nase hoch.
»Gut, wie du willst.« Er zwinkerte der Dryade zu. »Wir gehen. Wenn du allein im Wald bleiben willst, nur zu. Aber wenn dich wieder ein Yghern anfällt, dann schrei nicht. Für eine Prinzessin schickt sich das nicht. Eine Prinzessin stirbt, ohne sich zu mucksen, und vorher putzt sie sich die Nase. Gehen wir, Braenn. Leb wohl, Euer Hoheit.«
»Wa ... warte.«
»Aha?«
»Ich komme mit euch.«
»Ist uns eine große Ehre. Nicht wahr, Braenn?«
»Aber du wirst mich nicht wieder zu Kistrin bringen? Versprichst du das?«
»Wer ist ...«, begann er. »Ach, verdammt. Kistrin. Prinz Kistrin? Der Sohn König Ervylls von Verden?«
Das Mädchen schürzte den kleinen Mund, schniefte und wandte den Kopf ab.
»Genug von diesen Spielen«, ließ sich Braenn mürrisch vernehmen. »Gehen wir.«
»Gleich, gleich.« Der Hexer richtete sich auf und sah von oben auf die Dryade herab. »Die Pläne unterliegen einer gewissen Änderung, meine schöne Bogenschützin.«
»Äh?« Braenn zog die Brauen hoch.
»Frau Eithné wird warten. Ich muss diese Kleine nach Hause bringen. Nach Verden.«
Die Dryade kniff die Augen zusammen und griff nach dem Köcher.
»Du wirst nirgends hingehen. Und sie auch nicht.«
Der Hexer lächelte böse.
»Pass auf, Braenn«, sagte er. »Ich bin nicht der grüne Junge, dem du gestern aus dem Hinterhalt einen Pfeil ins Auge gejagt hast. Ich weiß mich zu verteidigen.«
»Bloéde arss!«, zischte sie und hob den Bogen. »Du gehst nach Duén Canell, sie auch! Nicht nach Verden!«
»Nein! Nicht nach Verden!« Das aschblonde Mädchen lief zu der Dryade, klammerte sich an deren schlanken Schenkel. »Ich komme mit dir! Und er soll allein nach Verden gehen, zu dem dummen Kistrin, wenn er will!«
Braenn schaute sie nicht einmal an, senkte nicht den Blick. Doch sie senkte den Bogen.
»’ss turd!« Sie spuckte ihm vor die Füße. »Geh doch, wohin die Augen dich führen! Ich werde sehen, was du vermagst. Du verreckst, ehe du aus dem Brokilon heraus bist.«
Sie hat recht, dachte Geralt. Ich habe keine Chance. Ohne sie komme ich weder aus dem Brokilon heraus noch nach Duén Canell. Nun ja, wir werden sehen. Vielleicht gelingt es mir, Frau Eithné zu überzeugen ...
»Na, Braenn«, sagte er versöhnlich und lächelte. »Werd doch nicht wütend, meine Hübsche. Gut, du sollst deinen Willen haben. Wir gehen alle nach Duén Canell. Zu Frau Eithné.«
Die Dryade murmelte etwas vor sich hin, nahm den Pfeil von der Sehne.
»Dann los«, sagte sie und rückte das Stirnband zurecht. »Genug Zeit vergeudet.«
»Ooi«, stöhnte das Mädchen, als es einen Schritt getan hatte.
»Was ist?«
»Irgendwas ist mit mir ... mit dem Fuß.«
»Warte, Braenn! Komm, Rotznase, ich nehm dich auf die Schultern.«
Sie war warm und roch wie ein nasser Spatz.
»Wie heißt du, Prinzessin? Ich hab’s vergessen.«
»Ciri.«
»Und dein Land, wo liegt das, wenn man fragen darf?«
»Sag ich nicht«, knurrte sie. »Ich sag’s nicht, und fertig.«
»Ich werd’s aushalten. Zapple nicht und schniefe mir nicht ins Ohr. Was hast du im Brokilon gemacht? Dich verirrt? Verlaufen?«
»Ausgerechnet! Ich verlaufe mich nie.«
»Zapple nicht. Du bist von Kistrin weggelaufen? Aus dem Schloss Nastrog? Vor oder nach der Hochzeit?«
»Woher weißt du das?«, schniefte sie überrascht.
»Ich bin unheimlich klug. Warum bist du ausgerechnet in den Brokilon gelaufen? Gab es keine weniger gefährlichen Richtungen?«
»Das dumme Pferd hat mich hingetragen.«
»Du lügst, Prinzessin. Bei deiner Größe könntest du höchstens auf einer Katze reiten. Und auch nur auf einer gutmütigen.«
»Marck ist geritten. Der Knappe von Ritter Voymir. Aber im Wald ist das Pferd gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen.
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