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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Dünn. Hoch. Verzweifelt.
    Braenn ließ sich sofort auf ein Knie fallen, zog gleichzeitig zwei Pfeile aus dem Köcher. Einen nahm sie zwischen die Zähne, den anderen legte sie auf die Sehne, spannte den Bogen, zielte blindlings durchs Unterholz auf die Stimme.
    »Nicht schießen!«, schrie er.
    Er sprang über den Stamm, schlug sich durchs Gebüsch.
    Auf einer kleinen Lichtung am Fuße eines Felshanges stand ein kleines Wesen in grauem Wämslein, mit dem Rücken gegen den Stamm einer ausgetrockneten Weißbuche gedrängt. Vor ihm, vielleicht fünf Schritte entfernt, bewegte sich langsam etwas, schob das Gras beiseite. Dieses Etwas war ungefähr zwei Klafter lang und dunkelbraun. Im ersten Augenblick dachte Geralt, es sei eine Schlange. Doch er erblickte gelbe, regsame, hakenbewehrte Füßchen, die platten Segmente eines langen Körpers, und er erkannte, dass es keine Schlange war. Dass es etwas viel Schlimmeres war.
    Das gegen den Stamm gedrängte kleine Wesen piepste dünn. Der riesige Wij hob lange, zitternde Fühler übers Gras, spürte damit Geruch und Wärme auf.
    »Beweg dich nicht!«, brüllte der Hexer und stampfte auf, um die Aufmerksamkeit des Skolopendomorphen auf sich zu lenken. Doch der Wij reagierte nicht, seine Fühler hatten schon den Geruch des nahen Opfers aufgenommen. Das Ungeheuer regte die Füßchen, krümmte sich S-förmig und eilte vorwärts. Seine grellgelben Pfoten blitzen im Gras, regelmäßig wie die Ruder einer Galeere.
    »Yghern!«, schrie Braenn.
    Mit zwei Sätzen sprang Geralt auf die Lichtung, riss im Laufen das Schwert aus der Scheide auf dem Rücken, stieß mit der Hüfte das unter dem Baum erstarrte kleine Wesen beiseite in ein Brombeergebüsch. Der Hundertfüßlerartige raschelte im Gras, trappelte mit den Füßchen und eilte auf ihn zu, die vorderen Segmente erhoben, mit den gifttriefenden Zangen klappernd. Geralt tänzelte, sprang über den flachen Körper und hieb aus halber Drehung heraus mit dem Schwert auf eine weichere Stelle, zwischen die Panzerplatten der Segmente. Das Ungeheuer war jedoch zu schnell, das Schwert traf auf die Chitinhülle, ohne sie zu durchdringen – die dicke Mulmschicht dämpfte den Schlag. Geralt sprang zurück, aber nicht geschickt genug. Der Skolopendomorphe schlang den hinteren Teil des Körpers um seine Beine, mit ungeheuerlicher Kraft. Der Hexer ließ sich fallen, warf sich herum und versuchte sich loszureißen. Vergeblich.
    Der Wij krümmte sich und wandte sich zurück, um ihn mit den Zangen zu erreichen, wobei er heftig mit den Klauen über das Holz des Baumes schürfte, sich daran festhielt. In diesem Augenblick surrte über Geralts Kopf hinweg ein Pfeil, durchschlug hörbar den Panzer und nagelte das Geschöpf an den Baumstamm. Der Wij krümmte sich, brach den Pfeil ab und machte sich frei, doch im selben Augenblick trafen ihn die beiden nächsten Geschosse. Der Hexer stieß mit einem Fußtritt den zitternden Körper weg, warf sich auf die Seite herum.
    Braenn kniete da und schoss mit unglaublichem Tempo, spickte den Skolopendomorphen mit einem Pfeil nach dem anderen. Der Wij zerbrach die Pfeilschäfte und befreite sich, doch der nächste Pfeil nagelte ihn wieder an den Stamm. Der flache, glänzende, dunkelrote Kopf des Geschöpfes klapperte mit den Zangen an den Stellen, wo die Pfeile getroffen hatten, und versuchte vergebens, den ihn verwundenden Feind zu erreichen.
    Geralt sprang von der Seite heran, holte weit mit dem Schwert aus und schlug zu, und dieser eine Hieb machte dem Kampf ein Ende. Der Baumstamm wirkte wie ein Richtblock.
    Braenn kam langsam heran, den Bogen gespannt, trat nach dem sich im Grase windenden, mit den Füßchen zappelnden Körper, spuckte darauf.
    »Danke«, sagte der Hexer und zermalmte den abgehauenen Kopf des Wijs mit dem Stiefelabsatz.
    »Äh?«
    »Du hast mir das Leben gerettet.«
    Die Dryade schaute ihn an. In diesem Blick lag weder Verständnis noch Gefühl.
    »Ein Yghern«, sagte sie und trat mit dem Stiefel nach dem sich windenden Körper. »Er hat mir die Pfeile zerbrochen.«
    »Du hast sowohl mir als auch dieser kleinen Dryade das Leben gerettet«, wiederholte Geralt. »Verdammt, wo ist sie?«
    Braenn schob geschickt das Brombeergestrüpp beiseite, steckte den Arm zwischen die dornigen Zweige.
    »So hab ich mir’s gedacht«, sagte sie, während sie das kleine Wesen in dem grauen Wämslein aus dem Gebüsch zog. »Sieh selbst, Gwynbleidd.«
    Es war keine Dryade. Es war auch kein Elf, keine Sylphide, kein

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