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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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aus weit offenen Augen an. »Nur diese Nacht, die bald vorbei ist. Es soll unser Belleteyn sein. Morgen früh trennen wir uns. Bitte, rechne nicht mit mehr, ich kann nicht, könnte nicht ... Verzeih. Wenn ich dich verletzt habe, küss mich und geh fort.«
    »Wenn ich dich küsse, gehe ich nicht fort.«
    »Damit habe ich gerechnet.«
    Sie neigte den Kopf. Er berührte mit dem Mund ihre geöffneten Lippen. Vorsichtig. Erst die obere, dann die untere. Er vergrub die Finger in die krausen Locken, berührte ihr Ohr, den kleinen Brillantring, ihren Hals. Yennefer erwiderte den Kuss und schmiegte sich an ihn, und ihre geschickten Finger wurden schnell und sicher mit den Schnallen seines Wamses fertig.
    Sie ließ sich rücklings auf den auf weichem Moos ausgebreiteten Umhang fallen. Er presste die Lippen an ihre Brust, fühlte, wie die Brustwarze hart wurde und sich unter dem dünnen Stoff der Bluse abzeichnete. Sie atmete unruhig.
    »Yen ...«
    »Sag nichts ... Bitte ...«
    Die Berührung ihrer bloßen, glatten, kühlen Haut, die ihm Finger und Handteller elektrisierte. Der Schauder auf dem Rücken, wo ihre Fingernägel ihn berührten. Von den Feuern her Schreie, Gesang, Pfiffe, das ferne, abgelegene Funkengestöber im purpurroten Rauch. Streicheln und berühren. Sie. Ihn. Ein Schauder. Und Ungeduld. Die gleitende Berührung ihrer braungebrannten Schenkel, die seine Hüften umschlangen, sie wie eine Klammer einschlossen.
    Belleteyn!
    Der Atem, zu Seufzern zerrissen. Blitze unter den Lidern, der Duft von Flieder und Stachelbeeren. Maikönigin und Maikönig? Lästerlicher Hohn? Vergessenheit?
    Belleteyn! Die Mainacht!
    Ein Stöhnen. Von ihr? Von ihm? Schwarze Locken auf den Augen, den Lippen. Verschränkte Finger bebender Hände. Ein Schrei. Von ihr? Schwarze Wimpern. Feucht. Ein Stöhnen. Von ihm?
    Stille. Eine ganze Ewigkeit in Stille.
    Belleteyn ... Feuer bis zum Horizont ...
    »Yen?«
    »Oh, Geralt ...«
    »Yen ... Du weinst?«
    »Nein!«
    »Yen ...«
    »Ich hab mir geschworen ... mir geschworen ...«
    »Sag nichts. Brauchst du nicht. Ist dir nicht kalt?«
    »Doch.«
    »Und jetzt?«
    »Wärmer.«
    Der Himmel wurde in erschreckendem Tempo heller, die schwarze Wand des Waldes bekam Konturen, streckte aus der gestaltlosen Finsternis die deutliche, gezackte Linie der Baumwipfel hervor. Die hinter ihr heraufziehende blaue Ankündigung des Morgengrauens ergoss sich den Horizont entlang, löschte die Lampen der Sterne. Es wurde kühler. Er drückte sie heftiger an sich, schlang den Umhang um sie.
    »Geralt?«
    »Hmm?«
    »Es wird gleich hell.«
    »Ich weiß.«
    »Habe ich dich gekränkt?«
    »Ein wenig.«
    »Beginnt es von vorn?«
    »Es hat nie aufgehört.«
    »Ich bitte dich ... Deinetwegen fühle ich mich ...«
    »Sag nichts. Alles ist gut.«
    Der Geruch des Rauches, der zwischen den Holzstößen wabert. Der Geruch von Flieder und Stachelbeeren.
    »Geralt?«
    »Ja?«
    »Erinnerst du dich an unsere Begegnung im Falkengebirge? Und an diesen goldenen Drachen ... Wie hieß er?«
    »Drei Dohlen. Ich erinnere mich.«
    »Er hat uns gesagt ...«
    »Ich weiß, Yen.«
    Sie küsste ihn auf die Stelle, wo der Hals ins Schlüsselbein überging, dann drückte sie den Kopf dort hinein, streichelte ihn mit den Haaren.
    »Wir sind füreinander geschaffen«, flüsterte sie. »Vielleicht sind wir füreinander bestimmt? Aber es wird ja nichts dabei herauskommen. Schade, aber wenn es Tag wird, werden wir uns trennen. Anders kann es nicht sein. Wir müssen uns trennen, um einander nicht wehzutun. Wir, die wir füreinander bestimmt sind. Füreinander geschaffen. Der oder die, die uns füreinander geschaffen haben, müssen sich um etwas mehr sorgen. Vorherbestimmung allein reicht nicht, ist zu wenig. Es braucht etwas mehr. Verzeih mir. Ich musste dir das sagen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich wusste, dass es keinen Sinn haben würde, wenn wir uns lieben.«
    »Du irrst dich. Es hatte Sinn. Trotz allem.«
    »Reite nach Cintra, Geralt.«
    »Was?«
    »Reite nach Cintra. Reite hin und verzichte diesmal nicht. Mach es nicht wie damals ... Als du dort warst ...«
    »Woher weißt du?«
    »Ich weiß alles über dich. Hast du das vergessen? Reite nach Cintra, reite so schnell wie möglich hin. Es brechen schlimme Zeiten an, Geralt. Sehr schlimme. Du musst es schaffen ...«
    »Yen ...«
    »Sag nichts, bitte.«
    Kühler. Immer kühler. Und immer heller.
    »Geh noch nicht fort. Lass uns warten, bis die Sonne aufgeht ...«
    »Lass uns warten.«

IV
    »Bewegt Euch

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