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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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wenn du mit ihr sprichst.«
    »Werd ich. Mäussack, erzähl, wie ist das mit Duny und Pavetta passiert?«
    »Sie waren auf der Fahrt von Skellige nach Cintra. Ein Sturm hat sie überrascht. Von dem Schiff sind nicht die kleinsten Splitter gefunden worden. Geralt ... dass das Kind damals nicht bei ihnen war, ist eine himmelschreiend sonderbare Sache. Unerklärlich. Sie hätten es mit aufs Schiff nehmen müssen, haben es im letzten Augenblick nicht getan. Niemand kennt den Grund. Pavetta trennte sich nie von ...«
    »Wie hat Calanthe es aufgenommen?«
    »Ja, was denkst du denn?«
    »Ich verstehe.«
    Lärmend wie eine Bande Kobolde rannten die Jungen heraus und an ihnen vorbei. Geralt bemerkte, dass nahe an der Spitze des vorbeihuschenden Schwarms ein Mädchen rannte, ebenso dünn und brüllend wie die Jungen, nur mit einem wehenden hellen Zopf. Mit wilden Schreien strömte die Menge wieder den abschüssigen Hang des Grabens hinab; mindestens die Hälfte, darunter das Mädchen, rutschte auf dem Hintern. Der Kleinste, der immer noch nicht nachkam, überschlug sich, kullerte herab und begann, schon am Grunde, laut zu weinen. Die anderen Jungen umringten ihn, spotteten und lachten ihn aus, worauf sie weiterrannten. Das Mädchen kniete sich neben dem Kleinen hin, umarmte ihn, wischte die Tränen ab, verschmierte auf dem verzogenen Gesichtchen Rotz und Schmutz.
    »Gehen wir, Geralt. Die Königin wartet.«
    »Gehen wir, Mäussack.«
    Calanthe saß auf einer großen Bank mit Rückenlehne, die an Ketten an einem Hauptast einer riesigen Linde hing. Sie schien zu dösen, doch dem widersprach die kurze Beinbewegung, mit der sie von Zeit zu Zeit die Schaukel in Schwung brachte. Bei ihr waren drei junge Frauen. Eine saß neben der Schaukel im Gras, ihr ausgebreitetes Kleid glänzte auf dem Grün so weiß wie ein Fleckchen Schnee. Die beiden anderen, nicht weit entfernt, plapperten, während sie vorsichtig die Zweige an Himbeersträuchern zur Seite schoben.
    »Herrin.« Mäussack verneigte sich.
    Die Königin hob den Kopf. Geralt kniete nieder.
    »Der Hexer«, sagte sie trocken.
    Wie früher schmückte sie sich mit Smaragden, die zu dem grünen Kleid passten. Und zu ihrer Augenfarbe. Wie früher trug sie einen schmalen goldenen Reif auf dem aschgrauen Haar. Die Hände aber, die er weiß und schmal in Erinnerung hatte, waren nicht mehr so schmal. Sie hatte zugenommen.
    »Sei gegrüßt, Calanthe von Cintra.«
    »Willkommen, Geralt von Riva. Steh auf. Ich habe dich erwartet. Mäussack, Freund, führ die Damen ins Schloss.«
    »Wie Ihr befehlt, Königin.«
    Sie blieben allein.
    »Sechs Jahre«, ließ sich Calanthe ohne ein Lächeln vernehmen. »Du bist erstaunlich pünktlich, Hexer.«
    Er sagte nichts dazu.
    »Es hat Augenblicke gegeben, was sage ich, Jahre, in denen ich mir eingebildet habe, du würdest es vergessen. Beziehungsweise, dass andere Gründe dir nicht erlauben würden, zu kommen. Nein, Unglück habe ich dir im Grunde nicht gewünscht, aber ich musste ja die einigermaßen gefährliche Art deines Berufes in Betracht ziehen. Es heißt, dass der Tod dir auf Schritt und Tritt folgt, Geralt von Riva, du aber schaust niemals zurück. Später aber ... als Pavetta ... Du weißt es schon?«
    »Ich weiß.« Geralt senkte den Kopf. »Ich fühle mit ganzem Herzen mit dir ...«
    »Nein«, unterbrach sie ihn. »Das ist lange her. Ich trage keine Trauer mehr, wie du siehst. Ich habe es lange genug getan. Pavetta und Duny ... Füreinander bestimmt. Bis zum Ende. Wie soll man da nicht an die Macht der Vorsehung glauben?«
    Sie schwiegen beide. Calanthe bewegte das Bein, setzte die Schaukel wieder in Bewegung.
    »Und nun ist der Hexer wie vereinbart nach sechs Jahren zurückgekehrt«, sagte sie langsam, und auf ihren Lippen erblühte ein seltsames Lächeln. »Zurückgekehrt, um die Einlösung des Gelöbnisses zu fordern. Was meinst du, Geralt: werden die Märchenerzähler so von unserer Begegnung berichten, wenn hundert Jahre vergangen sind? Ich denke, just so. Nur dass sie die Geschichte sicherlich ausschmücken werden, empfindsame Saiten anschlagen, das Gefühl ansprechen. Ja, darauf verstehen sie sich. Ich kann es mir vorstellen. Bitte, hör zu. Und es sprach der grausame Hexer: ›Erfülle das Gelöbnis, Königin, auf dass nicht mein Fluch dich treffe.‹ Und die Königin fiel tränenüberströmt vor dem Hexer auf die Knie und rief: ›Erbarmen! Nimm mir dies Kind nicht fort! Nur dieses eine ist mir geblieben!‹«
    »Calanthe

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