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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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sie aber authentisches Material zur Verfügung haben, verhunzen sie es. Wie du richtig bemerkt hast, das ist kein Märchen, sondern das Leben. Hässlich und schlecht. Also wollen wir es, verdammt noch mal, halbwegs anständig und gut leben. Die Menge der Kränkungen, die wir anderen antun, auf das unvermeidliche Mindestmaß beschränken. Im Märchen, gewiss, da muss die Königin den Hexer anflehen, und der Hexer muss verlangen, was ihm zusteht, und mit dem Fuß aufstampfen. Im Leben kann die Königin einfach sagen: ›Nimm das Kind nicht fort, bitte.‹ Und dann antwortet der Hexer: ›Da du bittest, nehme ich es nicht.‹ Und geht weg, der untergehenden Sonne nach. Einfach das Leben. Aber für so einen Schluss des Märchens würde der Erzähler von den Zuhörern keinen roten Heller kriegen, höchstens einen Tritt in den Hintern. Weil er langweilig ist.«
    Calanthe hörte auf zu lächeln, in ihren Augen funkelte etwas, das er schon einmal gesehen hatte.
    »Was soll das heißen?«, zischte sie.
    »Lass uns nicht um den heißen Brei herumreden, Calanthe. Du weißt, was ich meine. Wie ich hergeritten bin, werde ich wegreiten. Ich soll ein Kind auswählen? Und was soll ich damit? Denkst du, mir ist gar so viel an ihm gelegen? Dass ich gekommen bin, getrieben von der fixen Idee, dir den Enkel zu nehmen? Nein, Calanthe. Ich wollte vielleicht dieses Kind sehen, wollte der Vorherbestimmung in die Augen schauen ... Denn ich weiß selber nicht ... Aber fürchte nichts. Ich werde ihn nicht mitnehmen, es genügt, dass du mich bittest.«
    Calanthe sprang von der Schaukel, in ihren Augen flammte ein grünes Feuer auf.
    »Bitten?«, zischte sie wütend. »Dich? Mich fürchten? Ich sollte dich fürchten, du verfluchter Zauberer? Du wagst es, mir dein abscheuliches Mitleid ins Gesicht zu schleudern? Mich mit deinem Mitgefühl zu schmähen? Mir Feigheit vorzuwerfen, meinen Willen anzuzweifeln? Meine Leutseligkeit ist dir zu Kopf gestiegen! Hüte dich!«
    Der Hexer beschloss, nicht mit den Schultern zu zucken, da er zu dem Schluss gekommen war, es sei sicherer, niederzuknien und den Kopf zu senken. Er hatte sich nicht getäuscht.
    »Na also«, zischte Calanthe, die vor ihm stand. Die Hände hatte sie gesenkt, zu ringbesetzten Fäusten geballt. »Na endlich. Das ist die richtige Haltung. Aus dieser Haltung heraus antwortet man einer Königin, wenn einem die Königin eine Frage stellt. Und wenn es keine Frage ist, sondern ein Befehl, neigst du den Kopf noch tiefer und gehst ihn ausführen, unverzüglich. Hast du verstanden?«
    »Ja, Königin.«
    »Sehr gut. Steh auf.«
    Er stand auf. Sie schaute ihn an, biss sich auf die Lippe. »Hat dich mein Ausbruch sehr getroffen? Ich meine die Form, nicht den Inhalt.«
    »Nicht sehr.«
    »Gut. Ich will versuchen, mich nicht mehr zu ereifern. Also wie gesagt, dort im Graben spielen zehn Kinder. Du wirst einen auswählen, der dir am geeignetsten erscheint, wirst ihn mitnehmen und, bei den Göttern, einen Hexer aus ihm machen, denn so will es die Vorsehung. Und wenn nicht die Vorsehung, so sollst du wissen, dass ich es will.«
    Er schaute ihr in die Augen, verneigte sich tief.
    »Königin«, sagte er. »Vor sechs Jahren habe ich dir bewiesen, dass es Dinge gibt, die stärker sind als der königliche Wille. Bei den Göttern, wenn es sie gibt, werde ich es dir abermals beweisen. Du wirst mich nicht zwingen, eine Wahl zu treffen, die ich nicht treffen will. Ich bitte um Verzeihung für die Form, nicht für den Inhalt.«
    »Ich habe tiefe Verliese unter dem Schloss. Ich warne dich, noch ein Wort, und du wirst darin verfaulen.«
    »Keins von den Kindern, die im Graben spielen, eignet sich als Hexer«, sagte er langsam. »Keiner davon ist der Sohn Pavettas.«
    Calanthe kniff die Augen zusammen. Er zuckte mit keiner Miene.
    »Komm«, sagte sie schließlich und machte auf dem Absatz kehrt.
    Er folgte ihr zwischen Reihen blühender Sträucher hindurch, zwischen Beeten und Hecken. Die Königin ging in eine Bogenlaube. Dort standen vier große Korbsessel um einen Tisch aus Malachit. Auf der geäderten Platte, die von vier Greifen gehalten wurde, standen ein Krug und zwei silberne Pokale.
    »Setz dich. Und schenk ein.«
    Sie trank ihm zu, heftig, solide, wie ein Mann. Er tat desgleichen, ohne sich zu setzen.
    »Setz dich«, wiederholte sie. »Ich will mit dir reden.«
    »Ich höre.«
    »Woher wusstest du, dass keins der Kinder im Graben Pavettas Sohn ist?«
    »Ich wusste es nicht.« Geralt entschloss sich, offen

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