Das Schwert der Vorsehung
Oder Doppler, wie er sich selber bezeichnet hat.«
»Ein Vexling!«, schrie der Wirt auf. »Hier, in Nowigrad? In meinem Lokal? Rasch, man muss die Wache rufen! Und die Priester! Sonst riskier ich meinen Kopf ...«
»Gemach, gemach«, knurrte Dainty Biberveldt, der eilig Rittersporns Suppe in der wie durch ein Wunder heil gebliebenen Schüssel aufaß. »Wir werden die nötigen Leute noch rechtzeitig rufen können. Aber später. Dieser Schurke hier hat mich bestohlen, ich habe nicht vor, ihn dem hiesigen Recht zu überantworten, ehe ich mein Eigentum zurückhabe. Ich kenn euch doch, euch Nowigrader, und eure Richter. Ich würde vielleicht ein Zehntel bekommen, mehr nicht.«
»Habt Erbarmen«, begann der Doppler durchdringend zu stöhnen. »Übergebt mich nicht den Menschen! Wisst ihr, was sie mit solchen wie mir machen?«
»Klar, wissen wir.« Der Wirt nickte. »Über einem gefangenen Doppler veranstalten die Priester einen Exorzismus. Dann wird so einer in den Stock geschlossen und dick eine Kugel aus Lehm um ihn geschmiert, der mit Sägespänen vermischt ist, und er wird im Feuer gebacken, bis der Lehm sich zu einem Ziegel verfestigt hat. So ist es zumindest früher gemacht worden, als diese Ungeheuer hier öfter vorkamen.«
»Ein barbarischer Brauch, echt menschlich.« Dainty verzog das Gesicht und schob die nun leere Schüssel zurück. »Aber vielleicht ist es ja die gerechte Strafe für Wegelagerei. Also, sag, Schurke, wo sind meine Pferde? Schnell, sonst zieh ich dir die Nase zwischen den Beinen durch und steck sie dir in den Hintern! Wo sind meine Pferde, frag ich?«
»Ver ... verkauft«, stöhnte Tellico Lunngrevink Letorte, und die herabhängenden Ohren ringelten sich plötzlich zu Kügelchen zusammen, die an kleine Blumenkohlköpfe erinnerten.
»Verkauft! Habt ihr gehört!« Der Halbling schäumte. »Er hat meine Pferde verkauft!«
»Klar«, sagte Rittersporn. »Zeit hatte er. Er ist seit drei Tagen hier. Seit drei Tagen sehe ich dich ... das heißt, ihn ... Verdammt, Dainty, heißt das etwa ...?«
»Klar heißt es das!«, brüllte der Kaufmann und stampfte mit den fellbewachsenen Füßen auf. »Er hat mich unterwegs ausgeraubt, eine Tagesreise vor der Stadt! Ist hier als ich hergekommen, versteht ihr? Und hat meine Pferde verkauft! Ich bring ihn um! Mit diesen Händen erwürg ich ihn!«
»Erzählt uns, wie es passiert ist, Herr Biberveldt.«
»Geralt von Riva, wenn ich mich nicht irre? Der Hexer?«
Geralt nickte zur Bestätigung.
»Das trifft sich sehr gut«, sagte der Halbling. »Ich bin Dainty Biberveldt von der Knöterichau, Farmer, Viehzüchter und Kaufmann. Sag Dainty zu mir, Geralt.«
»Erzähl, Dainty.«
»Nun ja, das war so. Ich und meine Pferdeknechte haben die Pferde zum Verkauf geführt, auf den Markt in Teufelsfurt. Eine Tagesreise vor der Stadt kamen wir zum letzten Rastplatz. Wir übernachteten, nachdem wir ein Fässchen abgezogenen Branntwein niedergemacht hatten. Mitten in der Nacht wache ich auf, fühle, dass mir fast die Blase platzt, klettere also vom Wagen, und bei der Gelegenheit, denk ich, werfe ich einen Blick, was die Pferde auf der Weide machen. Ich geh raus, es ist stockfinster, plötzlich seh ich, da kommt jemand. Wer da, frag ich. Er antwortet nicht. Ich geh näher ran und sehe ... mich selber. Wie im Spiegel. Ich denke, ich hätte keinen Branntwein trinken sollen, das Teufelszeug. Aber der da ... denn das war er, der verpasst mir eins vor den Kopf! Ich seh Sterne und geh zu Boden. Am Morgen erwache ich in irgend so einem verdammten Gestrüpp, mit einer Beule wie ’ne Gurke am Kopf, ringsum keine Seele, von unserem Lager auch keine Spur. Ich bin den ganzen Tag herumgeirrt, bis ich endlich die Straße gefunden habe, zwei Tage bin ich hierhergelaufen, hab Wurzeln und rohe Pilze gegessen. Er aber ... dieser elende Dudel, oder wie der Kerl heißt, ist inzwischen als
ich
nach Nowigrad gefahren und hat meine Pferde verscheuert! Gleich werd ich ihn ... Und meine Pferdeknechte prügle ich durch, jedem hundert Hiebe auf den nackten Hintern. Den eigenen Prinzipal nicht zu erkennen, sich derart anführen zu lassen! Die Idioten, Kohlköpfe, Säufer ...«
»Nimm’s ihnen nicht übel, Dainty«, sagte Geralt. »Sie hatten keine Chance. Ein Täuschling kopiert derart perfekt, dass es unmöglich ist, ihn vom Original zu unterscheiden, oder vom Opfer, das er sich aussucht. Hast du nie von Täuschlingen gehört?«
»Gehört schon. Aber ich dachte, das sind
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