Das Schwert der Vorsehung
da nicht hingehen. Es gibt da zu viele Galgenstricke und Verbrecher.«
»Einen Knüppel, sagst du? Der findet sich. Aber, Dainty, eins möchte ich wissen, weil’s mir keine Ruhe lässt. Ich sollte keine Fragen stellen, also frage ich nicht, sondern rate, und du bestätigst oder verneinst. In Ordnung?«
»Rate.«
»Dieser überlagerte Tran, das Öl, das Wachs und die Schalen, der ganze verdammte Kram, das war ein taktischer Schachzug, nicht wahr? Du wolltest die Aufmerksamkeit der Konkurrenz von den Koschenillen und der Mimose ablenken? Na, Dainty?«
Die Tür wurde aufgestoßen, und ins Kontor kam etwas ohne Mütze gelaufen.
»Sauerampf meldet, dass alles bereit ist!«, schrie es mit dünner Stimme. »Er fragt, ob er gießen soll.«
»Gießen!«, donnerte der Halbling. »Sofort gießen!«
»Beim roten Bart des alten Rhundurin!«, heulte Vimme Vivaldi auf, sobald sich hinter dem Gnom die Tür geschlossen hatte. »Ich verstehe gar nicht. Was geht hier vor? Was gießen? Wohin gießen?«
»Keine Ahnung«, gestand Dainty. »Aber die Geschäfte, Vimme, müssen im Fluss bleiben.«
IV
Geralt zwängte sich mit Mühe durch die Menschenmenge und ging geradewegs auf den Stand zu, der mit kupfernen Kesseln, Schmor- und Bratpfannen behängt war, die rot im Schein der Abendsonne funkelten. Dahinter stand ein rotbärtiger Zwerg mit olivgrüner Kappe und schweren Stiefeln aus Seehundsfell. Auf dem Gesicht des Zwerges malte sich unverkennbar Widerwille – er sprach kurz angebunden und sah aus, als wolle er die in den Waren kramende Käuferin anspucken. Die Kundin ließ den Busen wogen, wedelte mit den braunen Locken und überschüttete den Zwerg mit einem pausenlosen Wortschwall ohne Ordnung und Sinn.
Die Kundin war keine Geringere als Vespula, die Geralt als Topfwerferin in Erinnerung hatte. Ohne abzuwarten, bis sie ihn erkannte, tauchte er in der Menge unter.
Der Westmarkt brodelte von Leben, der Weg durch die Massen erinnerte an einen Gang durch Weißdorngestrüpp. Alle naselang zupfte etwas an Ärmeln und Hosenbeinen – mal Kinder, die ihre Mütter verloren hatten, als die die Väter von den Schanktischen wegzerrten, mal Spitzel von der Stadtwache, mal fliegende Händler, die Tarnkappen, Aphrodisiaka und in Zedernholz geschnittene schweinische Szenen anboten. Geralt hörte auf zu lächeln und begann zu fluchen und die Ellenbogen entsprechend zu gebrauchen.
Er hörte Lautenklänge und das ihm bekannte perlende Lachen. Die Klänge kamen von einem märchenhaft bunten Stand mit der Aufschrift: »Hier Wunder, Amulette und Fischköder«.
»Hat schon jemand der Dame gesagt, dass die Dame hübsch ist?«, ließ sich Rittersporn vernehmen, der auf dem Stand saß und fröhlich die Beine baumeln ließ. »Nein? Das kann doch nicht sein! Das ist eine Stadt von Blinden, nichts als eine Stadt von Blinden. He, ihr guten Leute! Wer will eine Liebesballade hören? Wer sich rühren und erbauen lassen will, der werfe eine Münze in den Hut. Womit, womit kommst du da an, Hosenscheißer? Das Kupfer behalt für die Bettler, beleidige nicht einen Künstler damit. Ich werde dir das vielleicht verzeihen, die Kunst aber nie!«
»Rittersporn«, sagte Geralt im Herankommen. »Ich dachte, wir hätten uns getrennt, um den Doppler zu suchen. Und du gibst Konzerte. Schämst du dich nicht, wie ein Straßenmusikant auf Jahrmärkten zu singen?«
»Schämen?«, wunderte sich der Barde. »Wichtig ist, was man singt und wie, und nicht wo. Außerdem habe ich Hunger, und der Besitzer des Standes hat mir ein Mittagessen versprochen. Was indes den Doppler angeht, den könnt ihr selber suchen. Ich eigne mich nicht für Verfolgungen, Schlägereien und Selbstjustiz. Ich bin Dichter.«
»Du solltest lieber etwas tun, was nicht so viel Aufmerksamkeit erregt, Dichter. Hier ist deine Verlobte, es kann Ärger geben.«
»Meine Verlobte?« Rittersporn blinzelte nervös. »Um welche geht es? Ich hab davon etliche.«
Vespula, eine kupferne Bratpfanne in der Hand, drängte sich mit der Gewalt eines Rammbocks durch die Menge der Zuhörer. Rittersporn sprang von dem Stand auf und ergriff die Flucht, setzte geschickt über Körbe mit Mohrrüben. Vespula wandte sich mit geblähten Nüstern dem Hexer zu. Geralt wich zurück, stieß mit dem Rücken gegen die feste Wand des Standes.
»Geralt!«, rief Dainty Biberveldt, der aus der Menge hervorsprang und gegen Vespula stieß. »Schnell, schnell! Ich hab ihn gesehn! Da, da drüben, er entkommt!«
»Euch erwisch ich noch,
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