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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ist gelähmt. Sogar Koggen und Galeeren laufen nicht aus. Verstehst du, Hexer?«
    »Ich verstehe.« Geralt nickte. »Wer zeigt mir die Stelle?«
    »Ha!« Agloval legte die Hand auf den Tisch und begann mit den Fingern zu trommeln. »Das gefällt mir. Das ist wirklich Hexerart. Sofort zur Sache, ohne überflüssiges Gerede. Ja, so mag ich das. Siehst du, Drouhard, ich hab dir gesagt, ein guter Hexer ist ein hungriger Hexer. Was, Geralt? Ohne deinen musikalischen Freund hättest du dich ja heute wieder ohne Abendessen schlafen gelegt. Ich hab gute Informationen, was?«
    Drouhard senkte den Kopf, Zelest stierte vor sich hin.
    »Wer zeigt mir die Stelle?«, wiederholte Geralt und schaute den Fürsten kalt an.
    »Zelest«, sagte der Fürst und hörte auf zu lächeln. »Zelest wird dir die Drachenhauer und den Weg dahin zeigen. Wann willst du an die Arbeit gehen?«
    »Morgen in der Frühe. Seid auf der Reede, Herr Zelest.«
    »Gut, Herr Hexer.«
    »Hervorragend.« Der Fürst rieb sich die Hände und lächelte wieder ironisch. »Geralt, ich zähle darauf, dass du mehr Erfolg hast als in der Sache mit Sh’eenaz. Ich zähle wirklich darauf. Ach ja, noch eins. Ich verbiete es, über diesen Vorfall zu reden, ich möchte nicht noch mehr Panik kriegen als die, die ich schon am Halse habe. Du verstehst, Drouhard? Wenn du das Maul aufreißt, lasse ich dir die Zunge rausreißen.«
    »Ich verstehe, Fürst.«
    »Gut.« Agloval stand auf. »Dann gehe ich, störe nicht beim Vergnügen, löse keine Gerüchte aus. Mach’s gut, Drouhard, wünsch den Verlobten in meinem Namen Glück.«
    »Danke, Fürst.«
    Essi Daven saß auf einem Hocker inmitten eines dichten Rings von Zuhörern und sang eine melodische und traurige Ballade, die vom beklagenswerten Los einer betrogenen Frau handelte. Rittersporn, an einen Pfeiler gelehnt, murmelte etwas vor sich hin, zählte an den Fingern Takte und Silben ab.
    »Und?«, fragte er. »Hast du Arbeit, Geralt?«
    »Ja.« Der Hexer ließ sich nicht über Einzelheiten aus, die den Barden ja nichts angingen.
    »Ich hab dir doch gesagt, ich riech das Geld. Gut, sehr gut. Ich verdiene, du verdienst, da werden wir schwelgen können. Wir reiten nach Cidaris, wir schaffen’s noch bis zum Weinfest. Aber jetzt entschuldige mich einen Moment. Dort auf der Bank hab ich mir was Interessantes ausgeguckt.«
    Geralt folgte dem Blick des Dichters, aber außer einem guten Dutzend Mädchen mit halboffenen Mündern sah er nichts Interessantes. Rittersporn zog das Wams straff, rückte das Mützchen aufs rechte Ohr und schob sich zwischen den Sprüngen der Tanzenden hindurch zu der Bank. Nachdem er mit einem geschickten Flankenmanöver den Matronen, die die Fräuleins bewachten, ausgewichen war, begann er sein übliches Ritual des Zähnebleckens.
    Essi Daven beendete die Ballade, bekam Bravorufe, ein kleines Geldsäckel und einen großen Strauß hübscher, wenn auch schon etwas welker Chrysanthemen.
    Geralt streifte zwischen den Gästen umher und hielt nach einer Gelegenheit Ausschau, endlich einen Platz an einem Tisch mit Essen einzunehmen. Mit Wehmut sah er zu, wie in beachtlichem Tempo die marinierten Heringe, die Täubchen mit Kohl, die gekochten Dorschköpfe und Hammelkoteletts, die in Stücke gerissenen Wurstringe und Kapaunen, die mit Messern zerschnittenen geräucherten Lachse und Schweineschinken verschwanden. Das Problem bestand darin, dass auf den Bänken an den Tischen kein Platz frei war.
    Die Fräuleins und Matronen, ein wenig munterer geworden, bestürmten Rittersporn und verlangten mit piepsigen Stimmen, er möge auftreten. Rittersporn lächelte falsch und machte Ausflüchte, indem er auf wenig überzeugende Weise Bescheidenheit markierte. Geralt genierte sich nicht länger und zwängte sich fast mit Gewalt an einen Tisch.
    Ein älterer Herr, der stark nach Essig roch, rückte überraschend höflich und bereitwillig beiseite, wobei er etliche Nachbarn beinahe von der Bank stieß. Geralt machte sich unverzüglich ans Essen und leerte im Handumdrehen die einzige Schüssel, die sich in Reichweite befand. Der nach Essig riechende Herr schob ihm die nächste heran. Der Hexer hörte sich dankbar und konzentriert die Tiraden des Herren an, die die heutigen Zeiten und die heutige Jugend betrafen. Der Herr bezeichnete die freieren Umgangsformen hartnäckig als »Verwahrlosung«, so dass Geralt einige Mühe hatte, ernst zu bleiben.
    Essi stand an der Wand, unter Büscheln von Heidekraut, allein, und stimmte die Laute.

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