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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Der Hexer sah, wie sich ihr ein junger Mann in einem bestickten Brokatwams näherte, wie er etwas zu der Dichterin sagte und dabei vage lächelte. Essi schaute den jungen Mann an, verzog leicht den hübschen Mund, sagte ein paar Worte. Der junge Mann zog den Kopf ein und ging rasch seiner Wege, und noch lange leuchteten in der Dunkelheit seine rubinroten Ohren.
    ». .. Widerwärtigkeit, Schimpf und Schande«, fuhr der nach Essig riechende Herr fort. »Eine einzige große Verwahrlosung, mein Herr.«
    »Stimmt«, setzte Geralt unsicher hinzu, während er den Teller mit Brot abwischte.
    »Ich bitte um Stille, verehrte Damen, geehrte Herren«, rief Drouhard, während er in die Mitte des Saales ging. »Der berühmte Meister Rittersporn, obwohl er etwas kränklich und müde ist, wird für uns jetzt die berühmte Ballade von der Königin Marienn und vom Schwarzen Raben singen! Er tut das auf die dringliche Bitte von Fräulein Müllerstochter Veverka, die er, wie er sagt, nicht abschlagen kann.«
    Fräulein Veverka, eins von den weniger hübschen Mädchen auf der Bank, wurde augenblicklich schöner. Es brachen Beifall und Rufe aus, die die nächste Verwahrlosung des nach Essig riechenden Herrn übertönten. Rittersporn wartete, bis völlige Stille eingetreten war, spielte auf der Laute ein effektvolles Vorspiel, worauf er zu singen begann, ohne den Blick von Fräulein Veverka zu wenden, die von Strophe zu Strophe schöner wurde. Wirklich, dachte Geralt, dieser Hundesohn wirkt besser als die Zauberöle und -salben, die Yennefer in ihrem Laden in Vengerberg verkauft.
    Er sah, wie sich Essi hinter den im Halbkreis um Rittersporn gedrängten Zuhörern vorbeischob, wie sie vorsichtig im Ausgang zur Laderampe verschwand. Von einem sonderbaren Impuls geleitet, stand er vom Tisch auf und folgte ihr.
    Sie stand da, vorgebeugt, die Hände auf das Geländer der Rampe gestützt, die schmalen Schultern hochgezogen. Sie blickte auf das runzlige Meer, das im Lichte des Mondes und der im Hafen brennenden Feuer glitzerte. Unter Geralts Fuß knackte eine Diele. Essi richtete sich auf.
    »Entschuldige, ich wollte nicht stören«, sagte er steif und suchte auf ihrem Munde jenen plötzlichen Ausdruck, mit dem sie vor kurzem den jungen Mann im Brokat bedacht hatte.
    »Du störst mich nicht«, antwortete sie, lächelte, warf die Locke zurück. »Ich suche hier keine Einsamkeit, sondern frische Luft. Ist dir der Rauch und der Mief auch lästig geworden?«
    »Ein wenig. Aber lästiger ist mir das Bewusstsein, dich gekränkt zu haben. Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen, Essi, und um zu versuchen, eine Gelegenheit zu einem netten Gespräch zu finden.«
    »Dir gebührt die Entschuldigung«, sagte sie und stützte die Hände aufs Geländer. »Ich habe zu scharf reagiert. Immer reagiere ich zu scharf, kann mich nicht beherrschen. Verzeih und gib mir eine zweite Chance. Zu einem Gespräch.«
    Er ging zu ihr, stützte sich neben ihr aufs Geländer. Er spürte die von ihr ausstrahlende Wärme, einen leichten Geruch von Eisenkraut. Er mochte den Geruch von Eisenkraut, obwohl das nicht der Geruch von Flieder und Stachelbeeren war.
    »Welche Gedanken verbindest du mit dem Meer, Geralt?«, fragte sie plötzlich.
    »Unruhe«, antwortete er fast ohne zu überlegen.
    »Interessant. Dabei wirkst du so ruhig und beherrscht.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich Unruhe verspüre. Du fragtest, was ich damit verbinde.«
    »Gedankenverbindungen sind ein Bild der Seele. Davon weiß ich einiges, ich bin Dichterin.«
    »Und du, Essi, was verbindest du mit dem Meer?«, fragte er rasch, um den Betrachtungen über die Unruhe, die er verspürte, ein Ende zu machen.
    »Ewige Bewegung«, antwortete sie nach einer Weile. »Veränderung. Und das Rätsel, das Geheimnis, etwas, das ich nicht fasse, das ich auf tausenderlei Weise, in tausend Gedichten beschreiben könnte, ohne aber zum Kern, zum Wesen der Sache zu gelangen. Ja, das ist es wohl.«
    »Dann«, sagte er und fühlte, wie das Eisenkraut immer stärker auf ihn wirkte, »ist das, was du fühlst, auch Unruhe. Dabei wirkst du so ruhig und beherrscht.«
    Sie wandte sich ihm zu, warf die goldene Locke zurück, richtete den Blick ihrer schönen Augen auf ihn.
    »Ich bin weder ruhig noch beherrscht, Geralt.«
    Es geschah plötzlich, ganz unerwartet. Die Geste, die er machte und die nur eine Berührung, eine leichte Berührung ihrer Schulter sein sollte, wurde zum festen Griff beider Hände um ihre schmale Taille, zum

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