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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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schnellen, wenngleich nicht gewaltsamen Heranziehen bis zum heftigen, das Blut in Wallung bringenden Aufeinandertreffen ihrer Körper. Essi stöhnte plötzlich, straffte sich, bog den Körper weit zurück, fasste mit ihren Händen die seinen, kräftig, als wolle sie sie von der Taille losreißen, wegstoßen, doch stattdessen umklammerte sie sie nur fest, beugte den Kopf vor, öffnete den Mund, zögerte.
    »Wozu ... Wozu das?«, flüsterte sie. Ihr Auge war weit offen, die goldene Locke glitt auf die Wange.
    Ruhig und langsam nahm er den Kopf nach vorn, brachte sein Gesicht näher, und plötzlich fanden sich ihre Lippen rasch zum Kuss. Essi ließ aber auch da noch immer nicht seine Hände los, die ihre Taille gefasst hatten, und hielt weiter den Rücken zurück, so dass ihre Körper sich nicht berührten. So blieben sie und drehten sich langsam, wie im Tanze. Sie küsste ihn bereitwillig, mit Geschick. Und lange.
    Dann befreite sie sich gewandt und ohne Anstrengung von seinen Händen, stützte sich wieder aufs Geländer, zog den Kopf zwischen die Schultern. Geralt kam sich auf einmal unbeschreiblich dumm vor. Dieses Gefühl hielt ihn davon ab, sich ihr zu nähern, den Arm um ihre hochgezogenen Schultern zu legen.
    »Warum?«, fragte sie kühl, ohne sich umzuwenden. »Warum hast du das getan?«
    Sie schaute ihn aus dem Augenwinkel an, und plötzlich begriff der Hexer, dass er sich geirrt hatte. Er wusste plötzlich, dass Falschheit, Lüge, Verstellung und Prahlerei ihn geradewegs in ein Moor führen würden, wo zwischen ihm und dem Abgrund nur noch die federnden, zu einer dünnen Decke zusammengeballten Gräser und Moose lägen, bereit, bei jedem Schritt nachzugeben, aufzubrechen, zu reißen.
    »Warum?«, fragte sie.
    Er antwortete nicht.
    »Suchst du eine Frau für die Nacht?«
    Er antwortete nicht. Essi wandte sich langsam um, berührte seine Schulter.
    »Lass uns in den Saal zurückgehen«, sagte sie leichthin, doch diese Leichtigkeit täuschte ihn nicht, er spürte, wie gespannt sie war. »Mach nicht so ein Gesicht. Es ist nichts passiert. Und dass ich für diese Nacht keinen Mann suche, ist ja nicht deine Schuld. Nicht wahr?«
    »Essi ...«
    »Gehen wir, Geralt. Rittersporn hat schon die dritte Zugabe gegeben. Ich bin an der Reihe. Komm, ich werde singen ...«
    Sie blickte ihn sonderbar an und blies sich die Locke vom Auge.
    »Ich werde für dich singen.«

IV
    »Oho.« Der Hexer gab sich verwundert. »Da bist du ja doch noch? Ich dachte, du kommst heute Nacht nicht mehr.«
    Rittersporn verriegelte die Tür, hängte die Laute und das Hütchen mit der Reiherfeder an einen Nagel, zog das Wams aus, klopfte es ab und legte es auf die Säcke, die in einer Ecke der Kammer lagen. Außer diesen Säcken, einem Zuber und einem riesigen, mit Bohnenstroh gefüllten Strohsack gab es in der Dachkammer keine Möbel – sogar die Kerze stand auf dem Fußboden, in einer erstarrten Wachspfütze. Drouhard bewunderte Rittersporn, aber offensichtlich nicht so sehr, dass er ihm eine Kammer oder einen Alkoven zur Verfügung gestellt hätte.
    »Wie kommst du darauf«, fragte Rittersporn, während er sich die Stiefel auszog, »dass ich heute Nacht nicht zurückkäme?«
    »Ich dachte« – der Hexer stützte sich auf den Ellenbogen, dass das Bohnenkraut knisterte –, »du würdest unter Fräulein Veverkas Fenster Serenaden singen gehen, da du sie doch den ganzen Abend angestarrt hast wie ein Spürhund die Hündin.«
    »Ha, ha«, lachte der Barde. »Was bist du doch dumm. Du hast nichts begriffen. Veverka? Was soll mir die Veverka. Ich wollte nur bei Fräulein Akeretta Eifersucht hervorrufen, die ich mir morgen vornehme. Rück mal ein Stück.«
    Rittersporn ließ sich auf den Strohsack fallen und zog Geralt die Decke weg. Geralt, seltsam erbost, drehte den Kopf zu dem Fensterchen, durch das man, wären nicht die fleißigen Spinnen gewesen, den Sternenhimmel gesehen hätte.
    »Was wurmt dich so?«, fragte der Dichter. »Stört dich, dass ich den Mädchen den Hof mache? Seit wann? Bist du vielleicht Druide geworden und hast Reinheit gelobt? Oder vielleicht ...«
    »Hör auf zu quasseln. Ich bin müde. Ist dir nicht aufgefallen, dass wir seit zwei Wochen zum ersten Mal einen Strohsack und ein Dach überm Kopf haben? Freut dich nicht der Gedanke, dass es uns gegen Morgen nicht auf die Nasen regnen wird?«
    »Für mich«, erwiderte Rittersporn träumerisch, »ist ein Strohsack ohne Mädchen kein Strohsack. Er ist ein unvollkommenes Glück, und

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