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Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)

Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)

Titel: Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Lokey über ihnen träge seine Kreise und beobachtete sie und Großvater auf ihrem Weg hinauf zur Landzunge. Als sie die steinernen Türme erreichten, glitt der Vogel lautlos, fast spielerisch zwischen den Spitzen der Felsensäulen dahin. Er war ihnen schon so oft bis in die alte Stadt hinauf gefolgt, dass er sich vermutlich gar nichts dabei dachte. Jillian dagegen erschien diesmal alles neu, und das, obwohl ihr Großvater sie schon viele Male durch diesen Irrgarten aus Schluchten, trockenen Wasserläufen und tiefen Cañons hier heraufgeführt hatte.
    Diesmal machte sie den Weg als Priesterin der Gebeine, als Überbringerin der Träume.
    An einer Stelle, wo ein stiller Bach einem verschlungenen Pfad durch das Geröll am Grund eines sehr tiefen Cañons folgte, führte Großvater sie zu einem kleinen, im kühlen Schatten liegenden Fels und hieß sie sich hinsetzen. Ringsum erhoben sich die glatten, gewellten Seitenwände des Cañons nahezu lotrecht in die Höhe, sodass es im Falle eines plötzlichen Regengusses keine Möglichkeit gab hinauszuklettern. Es war ein überaus gefährlicher Ort – und das beileibe nicht nur wegen der Gefahr unerwarteter Überschwemmungen. Das Gelände war von einem Gewirr von Wasserläufen und Schluchten durchzogen, die sich mancherorts einen komplizierten Weg um die gewaltigen Felssäulen gebahnt hatten, sodass man ohne weiteres im Kreis gehen konnte, ohne jemals wieder herauszufinden. Doch Jillian kannte den Weg durch dieses Labyrinth – wie auch durch andere.
    Während sie still und abwartend dasaß, zog ihr Großvater einen Beutel auf, den er stets an seinem Gürtel trug, nahm zwischen den anderen Dingen, die er darin aufbewahrte, ein zusammengefaltetes Stück Wachstuch hervor und faltete es in seiner Handfläche auseinander. Dann tunkte er den Zeigefinger in die ölige schwarze Substanz, die sich darin befand, und bog ihr Kinn leicht nach oben. »Halt still jetzt, solange ich dein Gesicht bemale.«
    Jillian war noch nie angemalt worden. Sie kannte die Zeremonie aus den Erzählungen ihres Großvaters, aber bisher hatte sie nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass sie selbst eines Tages die Priesterin der Gebeine sein könnte, dass sie es sein könnte, die bemalt wurde. Während er damit beschäftigt war, saß sie so still wie irgend möglich da. Sie hatte das Gefühl, dass alles viel zu schnell passierte – ehe sie überhaupt Gelegenheit hatte, so recht darüber nachzudenken. Noch am Morgen dieses Tages hatte sie keine andere Sorge gehabt, als eine Echse für Lokey zu fangen, und nun kam es ihr so vor, als lastete das Gewicht der Welt auf ihren Schultern.
    »So«, sagte ihr Großvater. »Komm her und schau dich an.«
    Jillian ließ sich neben einem Tümpel mit stehendem Wasser auf die Knie herunter, beugte sich vor und – erschrak. Was sie dort sah, war Furcht erregend. Quer über das ihr entgegenstarrende Gesicht lief ein schwarzes gemaltes Band, ganz ähnlich einer Augenbinde, nur dass sie hindurchsehen konnte. Mitten aus dieser rauchschwarzen Maske starrten ihr die eigenen kupferfarbenen Augen entgegen.
    »So werden dich die bösen Geister nicht sehen können«, erklärte er ihr im Aufstehen. »Du kannst dich unter unseren Vorfahren aufhalten, ohne Angst haben zu müssen.«
    Jillian erhob sich ebenfalls, sie fühlte sich in der Tat sehr seltsam, wie verwandelt. Das Gesicht, in das sie eben geschaut hatte, war das Gesicht einer Priesterin. In den Erzählungen ihres Großvaters hatte sie davon gehört, im wirklichen Leben aber hatte sie ein solches Gesicht noch nie gesehen, geschweige denn erwartet, es könnte je ihr eigenes sein.
    Sie beugte sich vor und warf einen verstohlenen Blick in den stehenden Tümpel. »Macht mich das wirklich unsichtbar?«
    »Es wird dich beschützen«, bestätigte er mit einem Nicken.
    Sie fragte sich, ob Lokey sie wohl wieder erkennen oder ob er sich eher vor ihr fürchten würde. Ihr jedenfalls machte das Gesicht Angst, das ihr aus dem stillen Tümpel entgegenstarrte.
    »Komm«, sagte ihr Großvater, »wir müssen dich jetzt nach oben bringen, und dann muss ich zurück, damit die Fremden mich bei denen aus unserem Volk antreffen, die hier bleiben werden.«
    Als sie zu guter Letzt aus den steinernen Türmen und Felsschluchten emporkletterten, befanden sie sich endlich oben ganz in der Nähe der Stadt, unmittelbar vor dem mächtigen Hauptwall, aber bereits innerhalb der ersten äußeren Ringe aus kleineren Mauern. Sie waren in der Nähe des

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