Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
zu gelangen, daher waren die Truppen der Imperialen Ordnung nichts weiter als ein Hindernis auf ihrem Weg.
Dank der magischen Verbindung, die sie gemeinsam mit Richard ersonnen hatte, wusste Nicci, dass sie ihm jetzt endlich nahe war. Sie hatte ihn zwar noch nicht gefunden, wusste aber, es würde bald so weit sein, und das, obwohl es noch kurz vor ihrem Aufbruch ganz so ausgesehen hatte, als würde sie ihn nie wieder sehen.
Die Kämpfe um die Vorherrschaft in Altur’Rang waren mit unnachgiebiger Härte geführt worden. Nachdem die angreifenden Truppen gleich zu Beginn kurz nach Einbruch der Dämmerung überraschend in einen blutigen Hinterhalt gelockt worden waren, hatten sie sich, ganz die erfahrenen und kampferprobten Truppen, die sie waren, rasch wieder gefasst und neu formiert und sich im Schein der von ihnen entfachten Brände unter Aufbietung ihrer ungeheuren Schlagkraft bemüht, das Blatt doch noch zu wenden.
Dank der Unterstützung eines unerwartet aufgetauchten dritten Zauberers hatte es eine Zeit lang so ausgesehen, als könnten die Truppen der Imperialen Ordnung die unerfahrenen Verteidiger überwältigen; es war ein Augenblick tiefster Hoffnungslosigkeit, als sich abzuzeichnen schien, dass die aufopferungsvollen Bemühungen der Einwohner Altur’Rangs vergebens gewesen sein sollten. Das Gespenst des Scheiterns und des sich anschließenden Blutbads, das, wie jedermann wusste, ein solches Scheitern nach sich ziehen würde, schien auf einmal nicht nur unvermeidlich, sondern fast schon Wirklichkeit.
Doch dann – ihren Verwundungen und ihrer Erschöpfung zum Trotz – hatte die Aussicht, Richard niemals wieder zu sehen, Nicci neues Leben eingeflößt und ihr, mehr noch als ihr unbedingter Wille, ihren Freunden in Altur’Rang und all den Unschuldigen und hilflosen Seelen beizustehen, die im Falle einer Niederlage niedergemacht würden, jenes Quäntchen zusätzlicher Willenskraft verliehen, das es ihr ermöglichte, den Kampf mit unbedingter Entschlossenheit fortzusetzen.
Am Wendepunkt der Schlacht, im grellen, zuckenden Schein der lodernden Flammen in den ringsumher brennenden Gebäuden, als der gegnerische Zauberer auf einem weiten Platz die flache Ummauerung eines öffentlichen Brunnens erklommen hatte, um seine Männer nach vorn zu peitschen, tauchte Nicci plötzlich einem Racheengel gleich mitten in ihren Reihen auf und sprang mit einem Satz auf die Ummauerung. Das kam so völlig unerwartet, dass sie die Blicke aller auf sich zog. Und dann, in jenem winzigen Bruchteil eines Augenblicks, als die Augen aller in lähmender Verblüffung auf sie gerichtet waren, spaltete sie den Brustkorb ihres völlig überraschten Zauberers mit einem einzigen Hieb und riss ihm mit bloßen Händen das noch schlagende Herz heraus, ehe sie die blutige Trophäe mit einem Schrei wilden Zorns vor seinen Soldaten in die Höhe reckte und ihnen das gleiche Schicksal verhieß.
Im selben Augenblick preschten Victor Cascella und seine Männer mitten unter die Eindringlinge – auch er von einer unbändigen Wut gepackt, nicht nur, weil diese marodierenden Verbrecher die Bewohner seiner Heimatstadt ausplündern und ermorden wollten, sondern vor allem, weil sie ihn seiner hart erkämpften Freiheit berauben würden. Und dieses Zusammenspiel der Ereignisse war es schließlich, das den Mut der Angreifer endgültig brach. Die Elitetruppen der Imperialen Ordnung machten kehrt und versuchten, aus der Stadt, aus der Umklammerung durch ihre aufgebrachten Bewohner, zu entkommen. Nicci dagegen dachte gar nicht daran, den Einwohnern zu gestatten, sich mit einem Sieg zufrieden zu geben, und bestand stattdessen darauf, die Feinde zu verfolgen und bis zum letzten Mann niederzumachen.
Sie allein wusste, wie wichtig es war, keinen einzigen Soldaten entkommen zu lassen, der von ihrer völligen Niederlage berichten konnte. Kaiser Jagang erwartete zweifellos die Meldung, dass seine Heimatstadt wieder unter seine Herrschaft gebracht, die Aufständischen zu Tode gefoltert und die Stadtbewohner in die Knie gezwungen worden seien, und zwar mit einem derart brutalen Gemetzel, dass es allen anderen für alle Zeiten als Warnung dienen würde.
Aber sie wusste auch, dass Jagang die Nachricht der Niederlage trotz des erwarteten Erfolgs ohne weiteres verkraften würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass er eine Schlacht verlor, und es würde ihn nicht abschrecken. Niederlagen dienten ihm als Maßstab für die Stärke seiner Gegner. Beim nächsten Mal würde er
Weitere Kostenlose Bücher