Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
er, so schnell er konnte, den vorwärts taumelnden Schatten stets dicht auf den Fersen.
An einer eisernen Wendeltreppe sprang Richard seitwärts auf das Geländer und rutschte in halsbrecherischem Tempo hinab in die Dunkelheit; einen Arm um seinen Nacken gelegt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, tat Nicci es ihm nach. Indem sie so gemeinsam in die Tiefe schossen, gelang es ihnen, einen wertvollen Vorsprung vor ihrem Verfolger zu gewinnen.
Am Ende des Geländers landeten sie auf einem kalten Fliesenboden, überschlugen sich und rutschten über die glatten grünen Fliesen, bis sie schließlich, alle viere von sich gestreckt, liegen blieben. Richard rappelte sich auf und nahm eine der leuchtenden Kugeln aus ihrer Halterung.
»Kommt schon, beeilt Euch«, rief er, kaum dass Nicci seinem Beispiel gefolgt war.
Gemeinsam hasteten sie durch eine schier endlose Abfolge von Gemächern und Fluren, bemüht, einen so unberechenbaren Kurs wie möglich einzuschlagen, um ihren Verfolger abzuschütteln. Hin und wieder gelang es ihnen sogar, ein paar Schritte gutzumachen, doch dann holte das Wesen, vor allem in den Fluren, wieder auf.
Immer wieder stießen sie auf mit Schilden gesicherte Räume, die Richard bewusst mied, um zu verhindern, dass Cara, Rikka und Tom in die Nähe der sie verfolgenden Bestie gerieten. Er wollte schließlich nicht, dass sie dasselbe Schicksal ereilte wie Victors Männer.
Sie durchquerten einen Raum, der, wie sich herausstellte, offenbar als Lager für Baumaterialien diente, denn zu beiden Seiten lagen zu Stapeln aufgeschichtete Säcke und Steine. Richard erkannte das Material von seiner Zeit in Altur’Rang wieder, als er beim Bau des Palasts von Kaiser Jagang als Zwangsarbeiter hatte schuften müssen.
Am fernen Ende verließen sie den Lagerraum wieder und gelangten in einen langen Flur mit Schieferboden. Die glatten, aus Steinquadern gemauerten Seitenwände erhoben sich ohne Unterbrechung bis zu einer in luftiger Höhe angebrachten Decke, die sich mindestens einhundertfünfzig Fuß über ihnen befinden musste, wodurch ein schmaler senkrechter Spalt im Innern der Burg entstand. Richard fühlte sich wie eine Ameise hier unten, auf dem Grund dieses bis in Schwindel erregende Höhen reichenden Durchgangs.
Kurz entschlossen rannte er – Nicci hinter ihm – rechter Hand in den gewaltigen Spalt hinein; das dröhnende Trappeln ihrer Stiefel hüllte alles in ein hallendes Echo. Kurz darauf musste er Nicci zuliebe das Tempo ein wenig drosseln; beide waren mit ihren Kraftreserven am Ende, das Wehklagen der tausend toten Seelen dagegen taumelte scheinbar unermüdlich weiter.
Richard konnte nicht einmal das Ende des hohen Durchgangs erkennen, der sich irgendwo in der Ferne verlor – und dies war nur einer von zahlreichen solcher Korridore, was ihm ein deutliches Gefühl von der enormen Größe der Burg gab.
Als er an eine von links kommende Einmündung gelangte, bog Richard ab und rannte ein kurzes Stück hinein, bis sie auf eine eiserne Treppe stießen. Um Luft zu holen, blickte er sich kurz um und sah das Schattenknäuel um die Ecke biegen. Er stieß Nicci vor sich her, und schon hasteten sie zusammen die Stufen hinab.
Unten angekommen, fanden sie sich in einem kleinen quadratischen Raum wieder, der wenig mehr war als eine Kreuzung mehrerer gemauerter, in drei Richtungen davon abgehender Gänge. Mit der Kugel leuchtete er hinein und warf einen kurzen Blick in jeden der drei Gänge. In zweien war nichts zu erkennen, im dritten jedoch, dem rechten, meinte er einen schwachen Lichtschimmer zu sehen. Schon bei seinen früheren Besuchen in den unteren Gefilden der Burg der Zauberer war er auf merkwürdige Orte gestoßen, und genau so einen Ort brauchte er jetzt.
Die beiden hasteten in den Gang hinein. Wie vermutet, war er nicht sehr lang, gerade lange genug, um sie unter dem gewaltigen Spalt hindurch – und ein kleines Stück weiterzuführen, bis er in eine Art Eingangsbereich mündete, dessen Wände mit kleinen, penibel zu kunstvollen Mustern arrangierten Glassplittern bedeckt waren. Das Licht der beiden Glaskugeln brach sich funkelnd in den winzigen Scherben, sodass der Raum von unzähligen bunten, funkelnden und glitzernden Spiegelungen erfüllt war. Es gab nur eine einzige weitere Öffnung – drüben, an der gegenüberliegenden Wand.
Abrupt blieb Richard stehen. In diesem von einem seltsamen Glitzern erfüllten Raum überlief ihn eine Gänsehaut, etwa so, als streifte ihn ein Spinnennetz. Nicci
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