Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
durch die Öffnung hatte es so ausgesehen, als bestünde der Gang aus primitiven Steinquadern, jetzt aber, nachdem sie die steinernen Pfeiler hinter sich gelassen hatten, war das Gestein poliert und schien eine silbrig schimmernde, sich leicht kräuselnde Oberfläche zu besitzen, die ihm fast eine gewisse Räumlichkeit verlieh.
Ein Blick über die Schulter ergab, dass das Schattenknäuel gleichfalls auf das Eingangsportal zuraste. Niccis Hand noch immer fest im Griff, zog er sich mit ihr tiefer in den schillernden Durchgang zurück.
Er war zu erschöpft, um weiterzurennen.
»An dieser Stelle entscheidet sich, ob wir überleben oder sterben«, stieß er, mit letzter Kraft nach Atem ringend, hervor.
54
Das Schattenwesen prallte mit einem so gewaltigen hallenden Krachen gegen das Portal, dass Richard dachte, der Gang, in dem sie sich befanden, würde in Stücke gesprengt. Was ursprünglich eine einigermaßen zusammenhängende, dunkle Gestalt zu sein schien, zerschellte wie ein Stück Glas auf Granit und zersprang in tausende dunkle Splitter. Durch Mark und Bein gehende Klagelaute zutiefst empfundener Angst hallten mit entsetzlicher, herzzerreißender Unwiderruflichkeit durch den Gang, als ein blendender, tiefroter Lichtblitz aufloderte und die schwarzen Schattenfetzen von dem durch einen Schild gesicherten Portal in den mit den schimmernden, funkelnden Spiegelungen des Glasmosaiks erfüllten Raum zurückgeschleudert wurden – als die Bestandteile des Schattenwesens ein letztes Mal hell erglühend in alle Richtungen auseinander stoben, ehe sie tatsächlich erloschen.
Schlagartig war es bis auf das angestrengte Atmen der beiden totenstill. Die Bestie war verschwunden – fürs Erste zumindest.
Richard ließ ihre Hand los, dann sackten sie beide schwer zu Boden und ließen sich vor Erschöpfung keuchend gegen die irisierende Silberwand sinken.
»Das war genau die Art von Schild, die du gesucht hast, hab ich Recht?«, fragte Nicci, die immer noch nach Atem rang, um überhaupt sprechen zu können.
Richard nickte. »Was immer Zedd, Ann oder Nathan an magischen Kräften auf den Plan gerufen haben, hat die Bestie nicht aufhalten können, aber was Ihr getan habt, schien zumindest eine gewisse, wenn auch bescheidene Wirkung zu haben. Das brachte mich auf den Gedanken, es müsste doch eine Möglichkeit geben, der Bestie etwas entgegenzusetzen, wenn schon nicht in ihrer Gesamtheit, dann wenigstens in der Gestalt, in der sie sich diesmal zeigte.
Mir war klar, dass die Zauberer aus der Zeit, als dieser Ort errichtet wurde, eine Möglichkeit besessen haben mussten, alles von hier fern zu halten, was nicht hierher gehörte – schließlich stammte auch die Bestie aus dieser Zeit; sie war etwas, deren Beschreibung Jagang in uralten Schriften entdeckt hatte. Also schloss ich daraus, dass, wer immer die Schilde eingerichtet hat, gezwungen gewesen sein muss, auch diese Eventualitäten zu berücksichtigten.
Weil diese Schilde zur Abwehr ebendieser Gefahren geschaffen worden sind, ist zumindest ein gewisser Anteil subtraktiver Magie vonnöten, um sie zu überwinden. Nun verfügten die Feinde aber ebenfalls über subtraktive Kräfte, deshalb müssten diese Schilde, so meine Überlegung, darüber hinaus in der Lage sein, das Wesen dessen zu durchschauen, der sie überwinden will, um so die drohende Gefahr einschätzen zu können. Es könnte sogar sein, dass sie, während wir durch die Burg gejagt wurden und dabei immer wieder Schilde überwinden mussten, nicht nur über unser Wesen, sondern auch über das der Bestie Informationen angesammelt haben, um diese, als wir schließlich an diesen höherschwelligen Schild gelangten, als Bedrohung einzustufen und zurückzuhalten.«
Nicci strich sich eine verschwitzte Strähne ihres blonden Haars aus dem Gesicht, während sie über seine Ausführungen nachdachte. »Über die mit der Gabe Gesegneten von damals ist eigentlich kaum etwas bekannt, trotzdem ist es nachvollziehbar, dass diese alten Schutzvorrichtungen in der Lage gewesen sein müssen, eine solche, aus jener Zeit stammende Gefahr abzuwehren.« Sie runzelte die Stirn, als wäre ihr ein Gedanke gekommen. »Vielleicht wären diese Schilde sogar eine Möglichkeit, dich zu beschützen, für den Fall, dass sie sich noch einmal blicken lassen sollte.«
»Sicher – vorausgesetzt, ich hätte die Absicht, mich hier wie ein Maulwurf zu vergraben«, erwiderte er trocken.
Sie sah sich um. »Irgendeine Ahnung, wo wir uns
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