Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
wieder fest geworden war.
Die Gefährten beschlossen, sich etwas in dem Geisterstädtchen umzusehen, und deponierten ihre Taschen und Rucksäcke neben dem Sockel der Statue, um sich etwas freier bewegen zu können.
«Guckt mal hier!», rief Sihana. Mitten auf der Straße lag ein Metallgestell mit zwei eingespannten verkrümmten Rädern. «Ein Laufrad! Aber mit einem Antrieb fürs Hinterrad! Ich hab gehört, dass es früher so was gab, bevor durch den Nebel fast alles verrostete. Man nannte sie, glaub ich, Fahrräder. Hey, wo geht ihr hin? Wartet auf mich!»
Die andern waren bereits weitergegangen. Joash bog ein schweres Metallteil zurück, als wäre es nichts weiter als Karton, und verschaffte ihnen Zugang zu einer der Hausruinen. Sie kletterten über ein paar Steine in das umgekippte Haus hinein. Verbrannte Möbel lagen durcheinandergewürfelt auf dem schiefen Boden, der ursprünglich einmal eine Seitenwand gewesen war. Miro fand einen geschmolzenen Kommunikator unter den Trümmern.
«Das waren ja Mordsdinger damals!», amüsierte er sich. «Damit hätte man glatt jemanden erschlagen können!»
In einer Ecke stand eine schwere Metalltruhe. Aliyah wollte sie öffnen, doch der Deckel war völlig verklemmt. Joash kam ihr zu Hilfe und brach die Kiste mit einer Stange auf. Dicke Bücher mit Ledereinbänden und Metallbeschlägen kamen zum Vorschein. Die Blätter waren noch völlig intakt und nur an den Rändern leicht angesengt. Offenbar hatte die Truhe sie vor dem Feuer und der Gischt geschützt. Aliyah fischte sich ein Buch heraus, setzte sich auf einen der abgebrochenen Mauersteine und begann darin zu blättern. Was sie entdeckte, war erstaunlich.
«Hey, Leute! Das müsst ihr euch ansehen», sagte sie und winkte die anderen zu sich. Die Jugendlichen arbeiteten sich durch das Geröll zu ihr hindurch, und Aliyah präsentierte ihnen begeistert, was sie gefunden hatte. Das Buch, das auf ihrem Schoß lag, war voller farbenprächtiger Bilder. Es zeigte wundervolle Landschaften von Shaíria mit weiten Feldern, Seen, Bergen und Flüssen, schneebedeckten Vulkanen und paradiesisch schönen Meeresstränden. Jede handgemalte Illustration war beschriftet und bezeichnete die Gegend, woher das Bild stammte.
«Ahh!», seufzte Sihana hingerissen und fuhr mit ihrem langen pinkfarbenen Fingernagel über die alte Pergamentseite. «Guckt euch diesen Strand an! Ich wollte schon immer mal das Meer sehen! Vielleicht sind wir ja ganz in der Nähe! Ohhh! Und seht nur die Vielfalt an Blumen und Pflanzen, die es hier früher gab! Und dieser Wasserfall hier mitten im Dschungel! Mann, ist das schön! Einfach traumhaft!»
«Schaut mal, sogar der Himmel ist zu sehen!», schwärmte Aliyah, während sie von Bild zu Bild blätterte. «Dieses Blau! Meint ihr, der Himmel sah wirklich so aus? Und die Sonne! Die Sonne! Bei Shaíria, es muss fantastisch gewesen sein, die Sonne am Himmel zu sehen!»
«Kaum vorstellbar, wenn man den schwarzen Qualm sieht, der das Land heute bedeckt», meinte Katara.
Aliyah blätterte weiter. Auf einigen Landschaftsbildern waren auch Tiere zu sehen, und viele davon waren den Jugendlichen völlig fremd. Es gab Riesenechsen, die aussahen wie wandelnde Felsbrocken, Flusspferde mit Rüsseln, Schildkröten mit mehrstöckigen Panzern, Schmetterlinge mit Flügeln wie Schneeflocken, Schlangen mit zwei Schwänzen und viele andere eigenartige Lebewesen. Besonders fasziniert waren die fünf aber von den Bildern, auf denen Menschen und Tiere gemeinsam abgebildet waren und offenbar in totaler Eintracht zusammenlebten. Sie sahen zum Beispiel eine Herde geflügelter Hirsche, auf denen junge Kerle saßen und sich vergnügt an ihrem Geweih festhielten. Auf einer anderen Buchseite lagen Löwen neben zwei kleinen Jungen, die mit Murmeln spielten.
«Dass es so etwas gibt, das hätte ich nie für möglich gehalten», stellte Sihana kopfschüttelnd fest. «Als wären sie eine einzige große, glückliche Familie.»
Aber am meisten beeindruckte sie das Bild eines riesigen weißen Tigers, eines «Langhorntigers», wie unten am Bildrand stand. Er war viel größer als ein Löwe und hatte ein langes Horn auf der Stirn. Ein kleines Mädchen hatte sich zwischen seinen mächtigen Pfoten zusammengerollt und schlief friedlich.
«Mann, das nenn ich ein großes Kuscheltier», stellte Joash fest. «So eine Miezekatze würde ich doch zu gerne mal aus der Nähe sehen.»
«Langhorntiger sind ausgestorben, das dürfte ja wohl klar sein», sagte Miro
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