Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
Miro an der Spitze.
«Warum fällt es dir so schwer, Katara zu trauen?», fragte sie ihn, nachdem sie eine Weile unterwegs waren.
Miro zog den Mund schief. «Du bist erst später zu uns gestoßen. Du warst nicht dabei, als sie sich gegen uns wandte. Du hättest ihren Blick sehen sollen, als die Sicherheitsgarde uns umzingelt hatte. Es war ihr völlig egal, was mit uns passieren würde. Wir waren ihr total gleichgültig, verstehst du?»
«Menschen können sich ändern», sagte Sihana.
«Manche Menschen ändern sich nie», erwiderte Miro mit einem bitteren Ton in der Stimme.
Sihana sprang über ein kleines Schlammloch. «Warum denkst du so negativ von ihr, ohne ihr überhaupt die Chance zu geben, dir das Gegenteil zu beweisen?»
Miro blieb stehen und sah Sihana an. «Es gibt Dinge, die kann man nicht einfach vergeben. Nach dem Motto: Schwamm drüber, und alles ist wieder gut. Ich kann das jedenfalls nicht.»
«Wieso nicht?»
«Weil ich …» Er hielt inne und sprach den Satz nicht zu Ende. «Ich kann es einfach nicht», murmelte er, und Sihana merkte, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte. Also hörte sie auf zu fragen.
Nach über zwei Stunden, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkamen, begann sich die Vulkanlandschaft zu verändern. Sie kamen durch eine Gegend, die aussah wie ein unendlich weites Meer aus knallgrünem Dunst. Er schwebte dicht über dem Boden, und daraus ragten eigenartige, surrealistisch gezackte Felsformationen hervor. Sie waren spiegelglatt und schimmerten dunkelviolett bis schwarz. Die durchscheinenden Felsen hatten die Form abgebrochener Eisberge und wirkten wie monströse Glasscherben. Manche von ihnen bildeten monumentale Torbogen, andere waren einander zugeneigt wie riesige Klauen eines Greifvogels. Es war ein unwirklicher Ort, aber irgendwie auch faszinierend. Jedenfalls hatten die Jugendlichen noch nie etwas Ähnliches gesehen.
Sie schritten durch das trockene Meer aus hellgrünem Dunst und kamen dann in ein Gebiet, das einer merkwürdigen Mondlandschaft glich. Sie bestand aus grobem Kies, Geröll und einer Menge kleiner und großer kraterförmiger Vertiefungen. Die Jugendlichen blieben am Rand eines besonders breiten Kraters stehen und konnten nur staunen über das Ausmaß der Zerstörung, die jener feuerglühende Berg, der damals ins Meer gestürzt war, angerichtet hatte. Die Mulden mussten wohl durch einen Regen aus abgesplitterten Teilen jenes gewaltigen Felsens entstanden sein.
«Kaum zu glauben, dass dies einmal eine Insel von paradiesischer Schönheit gewesen sein soll», meinte Aliyah. «Ich komme mir vor wie auf einem anderen Planeten.»
«Seht mal da hinten!», rief Katara und deutete in die Ferne. «Sieht aus wie eine Ansammlung von Häusern!»
«Häuser? Hier?», fragte Sihana, die durch den schwarzen Rauch hindurch absolut nichts erkennen konnte. «Wo denn?»
«Na, da hinten!», wiederholte Katara.
«Ich sehe nichts», stellte Sihana fest, worauf Aliyah sie aufklärte: «Keiner von uns tut es. Du musst wissen, Katara hat eine spezielle Fähigkeit. Es gibt nichts, was ihr die Sicht versperrt, weder Nebel noch Dunkelheit.»
«Im Ernst?», meinte Sihana erstaunt. «Ist das wahr?»
«Muss wohl einmal ein Dorf gewesen sein», berichtete Katara weiter, «aber ich glaube kaum, dass jemand überlebt hat, so wie das hier aussieht.»
Sie gingen weiter. Der schwarze Dunst lichtete sich wie ein Schleier, der zur Seite geschoben wurde, und vor ihnen tauchte ein gespenstischer Ort auf: Das, was wohl einmal ein Dorf oder eine kleine Stadt gewesen war, bestand nur noch aus Schutt und Asche. Geisterhafte Ruinen ragten gen Himmel. Eingestürzte mehrstöckige Häuser lagen kreuz und quer auf dem Boden wie planlos übereinandergeworfene Bauklötze. Verbogene Stahlträger erhoben sich wie Rippen aus den Häuserwracks. Und alles war bedeckt von einer dicken Schicht flauschiger, grauer Asche, gerade so, als hätte es grauen Pulverschnee geschneit.
«Wow», machte Katara, als sie unter dem komplett verformten Eingangstor des Dorfes hindurchspazierten.
Das Dorfschild, auf dem sich eine dicke graue Schicht aus Asche angesetzt hatte, klebte an einer großen rostigen Metallskulptur, die auf einem Steinsockel stand und eine Gruppe von Menschen darstellte. Genaues war davon aber nicht mehr zu erkennen, denn die Figuren waren alle ineinander verschmolzen. Das Kunstgebilde sah aus wie eine Kerze, die halb niedergebrannt und an deren Seiten überall flüssiges Wachs heruntergetropft und
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