Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
und klaubte eine Tüte mit Bonbons hervor, mit der sie allen so lange vor der Nase herumwedelte, bis jeder eins genommen hatte – auch Miro. Tatsächlich half ihre spontane Aktion, die Lage wieder einigermaßen zu entspannen. Joash schnürte daraufhin seinen Rucksack auf und meinte:
«Etwas Richtiges zu verdrücken wäre jetzt auch nicht verkehrt. Sonst noch jemand Hunger?»
Das Essen, das sie dabeihatten, stammte noch immer aus der üppigen Vorratskammer in Bellkje, wo sie sich reichlich mit allerlei Lebensmitteln eingedeckt und auch genügend Wasserschläuche gefunden hatten, die sie täglich mit neuem abgekochtem Wasser auffüllten.
Während sie sich eine kurze Zwischenmahlzeit gönnten, blätterte Aliyah im Buch der Prophetie auf der Suche nach irgendeinem nützlichen Hinweis. Wahllos überflog sie ein paar Seiten, bis sie plötzlich an einer Stelle hängen blieb, die ihre Aufmerksamkeit erregte.
«Ich glaube, ich hab etwas gefunden!», rief sie.
«Schieß los», sagte Joash und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund.
Aliyah legte ihren Finger auf die geheimnisvolle Schrift und las laut vor:
«Denn er ist nicht fern von ihnen, und wenn sie ihn aufrichtig und ernsthaft suchen, so wird er sich von ihnen finden lassen. Beim Eckstein werden sie ihn finden. Zwischen stummen Löwen wartet er auf sie.»
«Und was genau bedeutet das jetzt?», fragte Joash zwischen zwei Bissen Brot.
«Na ja», meinte Aliyah, «es könnte ein Rätsel sein, das uns irgendwie zu ihm führt.»
«Es könnte auch überhaupt nichts sein», überlegte Miro, der auf einem Stück Trockenfleisch herumkaute. «Ich meine, wer sagt uns, dass dieser ‹er› Arlo ist? Und dass mit ‹sie› wir gemeint sind? Die Chance, dass sich diese Stelle auf uns bezieht, ist eins zu einer Trillion oder so was Verrücktes.»
«Deswegen nennt man das Buch ja das Buch der Prophetie», entgegnete Aliyah. «Weil es Dinge offenbart, die eigentlich niemand wissen konnte zum Zeitpunkt, wo die Worte niedergeschrieben wurden.»
«Angenommen, nur mal angenommen, du hättest Recht», sagte Miro, «wo würdest du dann nach ihm suchen?»
«Hier steht: ‹Beim Eckstein werden sie ihn finden. Zwischen stummen Löwen wartet er auf sie›», wiederholte Aliyah.
«Eckstein. Stumme Löwen», sinnierte Miro. «Das bringt uns überhaupt nicht weiter. Wir haben nicht den leisesten Schimmer, was damit gemeint ist.»
«Es ist immerhin ein Anhaltspunkt», meinte Aliyah und strich sich ihr rostrotes Haar aus dem Gesicht.
«Bei Shaíria!», quietschte Sihana in diesem Moment begeistert und deutete mit ihrem langen pinkfarbenen Fingernagel auf Aliyah. «Das Zeichen! Aliyah trägt das Zeichen auf der Stirn!»
«Das Zeichen?» Aliyah betastete mit ihrer Hand ihre rechte Schläfe und spürte feine Linien, die sich von ihrer Haut abhoben. Sie hatte die Linien, die sich anfühlten wie eine Narbe, schon früher bemerkt, sich aber nichts dabei gedacht. «Es ist wirklich das Zeichen der Propheten?»
«Und ob es das ist!», bestätigte Sihana begeistert, kramte in ihrer Handtasche und förderte einen Spiegel zutage, den sie Aliyah reichte. «Sieh selbst!»
«Ich werd verrückt, du hast Recht!», stellte Aliyah verblüfft fest.
«Zeig mal her, Kleine!», sagte Joash. Er und die andern scharten sich um sie und starrten Aliyah mit offenem Mund an.
«Tatsächlich», sagte Miro und untersuchte das Brandmal mit der Miene eines Wissenschaftlers. «Das Wappen Shaírias. Wie eingebrannt. Seit wann hast du es?»
«Ich glaube, seit heute Morgen», gestand Aliyah. «Ich hab gedacht, es wäre ein Kratzer oder so was. Vielleicht hängt es mit meiner Verwandlung im Wald der Offenbarung zusammen. Davor hatte ich es jedenfalls noch nicht, da bin ich mir sicher.»
«Wow», brachte Katara fasziniert hervor. «Ich dachte, dieses Zeichen wäre nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten, Leuten wie der alten Prophetin zum Beispiel.»
«Das dachte ich auch», berichtete Miro. «Bis sich das Symbol vor unseren Augen in Ephrions Handinnenfläche einbrannte.»
«Ephrion hatte auch eins?», meinte Katara beeindruckt.
«Es erscheint bei jedem Propheten, der von ganzem Herzen und mit ganzer Hingabe seinem Ruf folgt», erklärte ihr Aliyah und betastete freudig und auch ein wenig stolz das Brandmal auf ihrer Stirn. «Ihr werdet bestimmt auch noch eins kriegen.»
Joash warf Miro einen flüchtigen Blick zu. Darauf würde ich nicht wetten!, dachte er, sehr wohl wissend, dass Miro seine Gedanken lesen
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