Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
Zwischenzeit war es vollkommen dunkel geworden, und nur noch das Feuer knisterte vor sich hin. Sonst war alles still, unheimlich still. In Dark City hörte man des Nachts wenigstens noch irgendwo in der Ferne einen Kojoten oder den einsamen Ruf eines Vogels. Aber hier, außerhalb der Mauer, war es totenstill, so als würde es wirklich kein Leben mehr geben außer dem ihren. Auf einmal wurde ihnen wieder ganz elend zumute. Die ganze Last der Mission, die Trauer um ihre Lieben und die Ungewissheit vor dem, was ihnen noch bevorstand, kehrten zurück. Und mit der einzigen Hoffnung, den König von Shaíria irgendwo in diesem rauen Land zu finden und das Licht nach Dark City zurückzubringen, rollten sich die fünf Freunde neben der Feuerstelle in ihre Umhänge und schliefen schon bald vor Erschöpfung ein.
Mitten in der Nacht schreckte Aliyah plötzlich auf. Das Feuer war fast vollständig niedergebrannt, nur noch ein paar glühende Kohlen glimmten rot vor sich hin. Mit pochendem Herzen sah sich Aliyah um. Sie hatte ganz deutlich ein Knacken gehört. Es kam von außerhalb der Ruine, schien aber ganz nah zu sein. Zu nahe. Noch ein Langhorntiger?, war ihr erster Gedanke.
Da! Es knackte ein zweites Mal, diesmal in unmittelbarer Nähe. Aliyah wirbelte herum, und in diesem Augenblick sah sie in der Dunkelheit zwei gelbe Augen aufblitzen. Sie leuchteten wie die Augen eines Reptils, und Aliyah zuckte erschrocken zusammen.
«Bei Shaíria», murmelte sie und starrte perplex in die Nacht hinein. Die Augen waren wieder weg, und Aliyah fragte sich, ob sie sich das alles nur eingebildet hatte. Ihr Herz flatterte vor Angst. Sie tastete nach Katara, die neben ihr schlief, und rüttelte sie wach.
«Katara!», flüsterte sie aufgeregt. «Katara! Ich glaube, da ist etwas!»
Katara war mit einem Schlag hellwach, griff instinktiv an ihre Seite, wo normalerweise ihr Schwert lag, das sie aber Sihanas Vater gegeben hatte, und setzte sich dann auf. «Wo?», fragte sie.
«Ich glaube, da drüben», sagte Aliyah. «Ich weiß aber nicht genau, was es ist. Ich habe nur seine Augen gesehen.»
«Ist es groß?»
«Ich denke schon.»
«Was ist es?»
«Keine Ahnung. Es hatte geschlitzte Pupillen wie von einem Reptil. Sie haben geleuchtet.»
«Warte hier. Ich seh mal nach.»
«Nein, tu das nicht», flüsterte Aliyah und hielt sie zurück. «Vielleicht ist es gefährlich!»
«Ich seh trotzdem nach», sagte Katara und nahm einen Stock, dessen Ende im Feuer lag und glühte. Sie blies daran, bis er wieder zu brennen anfing, und wollte sich gerade aufrichten, als es erneut knackte. Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit, und eine Gestalt trat ins schwache Licht des Feuers und blieb in einigem Abstand unter einem verfallenen Torbogen stehen. Katara fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie den Jungen erkannte, der dort zwischen den Steinen stand: Es war niemand anderes als Ephrion!
15
«Ephrion?!», rief sie. «Bist du das, Ephrion?»
«Moment», stammelte Aliyah perplex, «Ephrion ist tot!»
«Wie ihr seht, bin ich am Leben», antwortete der dicke Junge unter dem Torbogen und lächelte die beiden an.
Aliyah schluckte. «Es ist seine Stimme», brachte sie hervor. «Wie ist das möglich?»
Sie sprang auf, um Ephrion entgegenzulaufen. Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Plötzlich verdrehte der Junge die Augen, sackte in sich zusammen, und im selben Moment wurde er, wie es schien, von hinten gepackt und lautlos in die Finsternis geschleift. Es ging alles so schnell, dass weder Katara noch Aliyah verstanden, was eigentlich passiert war. Sie sahen sich an, und ohne auch nur einmal zu zögern, stürzten beide los und eilten zu dem Torbogen, wo Ephrion Sekunden zuvor gestanden hatte. Doch er war wie vom Erdboden verschluckt. Er war einfach nicht mehr da.
«Ephrion?!», rief Aliyah in die Dunkelheit hinein – und zu Katara gewandt: «Siehst du etwas?»
Diese spähte angestrengt in alle Richtungen, aber von Ephrion fehlte jede Spur. «Er ist weg», sagte sie.
«Ich versteh das nicht», murmelte Aliyah. «Was geht hier vor? War das wirklich Ephrion?»
«Da hinten bewegt sich was!»
«Wo?»
Ohne mit langen Erklärungen Zeit zu verlieren, sprang Katara behände wie eine Bergkatze davon und verschwand zwischen den Trümmern. In der Zwischenzeit waren von ihren Rufen auch die Jungs und Sihana wach geworden und lugten müde unter ihren Umhängen hervor.
«Könnt ihr nicht etwas leiser quatschen?», brummte Joash. «Ich versuche hier zu
Weitere Kostenlose Bücher