Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
sie in Miros Plan einwilligte.
«Du hast wahrscheinlich Recht, Miro. Ich sollte nicht alleine gehen. Aber ich werde auf jeden Fall Wache halten. Wer weiß, ob die nicht wiederkommen.»
Miro nickte. «Ja, mach das. Und wenn du Ablösung brauchst, weckst du mich.» Er wandte sich den andern zu. «Versucht zu schlafen. Wir müssen alle Kräfte sammeln.»
Natürlich fiel es den Gefährten schwer, sich nach dem, was passiert war, einfach wieder hinzulegen und weiterzuschlafen. Aber irgendwann wurden sie dennoch von Müdigkeit übermannt und fielen in einen unruhigen Schlaf bis zum Morgengrauen.
Katara blieb die ganze Nacht wach. Bei jedem kleinsten Geräusch sprang sie sofort auf und spähte mit ihren Katzenaugen in die Dunkelheit. Aber die Fremden, wer auch immer sie sein mochten, ließen sich nicht mehr blicken. Noch vor der Morgendämmerung backte Katara ein paar Fladenbrote und kochte Kaffee. Dann rüttelte sie die Gefährten wach, und nachdem sie sich mit warmem, mit Honig beschmiertem Fladenbrot und heißem Kaffee gestärkt hatten und Sihana Joashs Wunde neu gereinigt und versorgt hatte, schulterten sie ihre Rucksäcke und brachen auf. Sie folgten den Fußspuren mühelos aus der Geisterstadt hinaus. Im Staub, der fast überall zwischen den Trümmern lag, waren die Abdrücke gut zu erkennen.
Aber nachdem sie die Stadt verlassen hatten und vor ihnen nichts als eine weite Ebene aus Geröll und Schotter lag, waren sie froh, Katara dabeizuhaben. Ihr geschultes Auge fand auch an den unmöglichsten Orten irgendeinen Hinweis, in welche Richtung sie gehen mussten. Sie ging so sicher voran, als würde sie den Weg bereits kennen.
Die Spur führte ziemlich geradlinig nach Westen, geradewegs auf eine gewaltige Bergkette zu, die immer mal wieder zwischen düsteren Wolken am Horizont auftauchte. Sie war gigantisch und höher als alle Berge, die die Jugendlichen aus Dark City kannten. Sie staunten auch über die Tatsache, dass sie die Berge überhaupt sehen konnten. Hier draußen, außerhalb des Mauerrings, gab es nämlich den zähen tiefliegenden Nebel nicht, der ihr Leben noch vor kurzer Zeit bestimmt hatte. Er war offenbar auf Dark City beschränkt. Trotzdem war auch hier der Himmel von dichten hohen Wolken verdeckt.
«Das ist das Ysah-Gebirge», stellte Miro fest, als sie sich nach einer Stunde kurz setzten und ein wenig die Füße streckten. «Hinter diesem Gebirgszug beginnt das Meer.»
«Das Meer», seufzte Sihana fasziniert, und völlig aus dem Zusammenhang gerissen fragte sie im selben Atemzug: «Möchte jemand einen Prickelfrosch?»
«Einen was?», fragte Joash.
«Einen Prickelfrosch», sagte Sihana und begann eifrig in ihrer Handtasche zu wühlen. «Sag bloß, du hast als Kind nie Prickelfrösche gelutscht? Prickelfrösche sind die allerbeste Erfindung überhaupt! Und es gibt sie in den verschiedensten Sorten. Hier, probier einen!»
Sie streckte Joash etwas unter die Nase, das in ein Blatt eingewickelt war. Als Joash das Blatt auffaltete, kam eine feste purpurrote Masse zum Vorschein, die die Form eines kleinen Frosches hatte.
« Das ist ein Prickelfrosch», sagte Sihana, und ihre Stimme klang wie die einer Lehrerin, die einem Erstklässler einen neuen Buchstaben erklärt. «Du steckst ihn in den Mund und lässt ihn langsam zergehen. Aber nicht kauen, sonst prickelt es nicht. Deiner sollte nach Blaufrucht schmecken. Hier.» Sie verteilte auch an die andern bunte Prickelfrösche, und jeder Frosch hatte eine andere knallige Farbe.
«Und jetzt in den Mund stecken», wies sie die Freunde an und machte es gleich vor. «Spürt ihr es?» Sie schüttelte vor lauter Prickeln ihre Hände, dass ihre Armreife nur so klimperten. «Ist doch ein herrlich spitzenmäßiges Gefühl, nicht wahr? Möchtet ihr noch einen haben?»
Während sie die zweite Runde Prickelfrösche auf der Zunge zergehen ließen, untersuchte Katara den Boden nach Fußabdrücken, und Miro warf Aliyah einen skeptischen Blick zu, als er bemerkte, dass das Mädchen irgendetwas bedrückte.
«Was hast du, Aliyah?», fragte er sie. «Wieder mal eine deiner Visionen?»
«Ich weiß es nicht», sagte Aliyah mit gerunzelter Stirn. «Ich hab das ungute Gefühl, wir werden beobachtet.»
«Ach was!» Miro lachte. «Das bildest du dir nur ein. Sieh dich um. Hier draußen ist niemand. Keine Langhorntiger, keine Menschen. Nur wir.»
Aliyah seufzte. «Trotzdem. Ich hatte den Eindruck schon gestern, hab ihn aber immer wieder verdrängt. Irgendetwas stimmt nicht, ich
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