Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
erhobenen Fäusten einen Sprechchor. «Wir wollen raus! Wir wollen raus! Wir wollen raus!», riefen sie, und bald schon stimmte das ganze Volk mit ein, und in Sprechchören hallte es über den Platz: «Wir wollen raus! Wir wollen raus! Wir wollen raus!»
Mehrere Minuten lang schrien die Menschen ununterbrochen diesen einen Satz. Sie heizten sich gegenseitig an, und je länger sie schrien, desto mehr wuchs die Masse zu einer feindlichen Front zusammen, die im Stande war, jeden zu lynchen, der ihrer Meinung nach ihr Unglück zu verantworten hatte.
Die Propheten beobachteten die gefährliche Entwicklung mit wachsender Sorge und wurden immer schweigsamer. Ihnen graute vor den Konsequenzen, die diese Massenhysterie nach sich ziehen würde. Drakar hatte die gesamte Bevölkerung auf seine Seite gebracht, und was auch immer er vorhatte, das Volk würde ihn bedenkenlos dabei unterstützen.
Der Prinz ließ sich Zeit. Irgendwann gab er den Knaben ein Zeichen, und als diese erneut zu trommeln begannen, wurde es langsam wieder ruhig auf dem Platz.
«Und jetzt», rief Drakar mit ausgebreiteten Armen, «gebe ich euch denjenigen, durch dessen falsche Visionen wir hier gelandet sind! Wir alle haben ihm vertraut, und wir alle sind bitter von ihm enttäuscht worden. Urteilt selbst, was mit ihm geschehen soll!»
Dramatische Trommelwirbel erschallten. Und dann wurde der König von zwei Soldaten auf die Bühne geschleppt. Bei seinem Anblick verstummte die Menge. Er war barfuß, und sein weißes Hemd war mit Blut besudelt. Seine Hände waren gefesselt, sein Kopf gesenkt, sein Haar hing ihm wirr in die Stirn. Die Soldaten schoben ihn bis an den Rand der Tribüne, wo er taumelnd stehen blieb. Er wirkte geschwächt und sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Einige Leute hielten sich die Hand vor den Mund, als sie ihren König in diesem erbärmlichen Zustand vor sich sahen.
«Nun», verkündete Drakar, schlich sich um Arlo herum und blieb neben ihm stehen. «Seht ihn euch an: Hier ist euer König! Es liegt weder in meiner Macht noch in derjenigen der Richter, über einen König ein Urteil zu fällen, ohne vorher das Volk gehört zu haben. Daher frage ich euch hier und jetzt: Was wollt ihr, dass ich mit ihm tue? Soll ich ihn auspeitschen und dann freilassen?»
Er hatte den Satz nicht zu Ende gesprochen, als ein Sturm der Entrüstung losbrach und das Volk wie aus einem Munde schrie:
«Tötet ihn!»
Drakar wollte etwas sagen, aber seine Stimme ging in dem Geschrei der Bevölkerung unter.
«Tötet ihn!», brüllte die aufgehetzte Menge immer lauter. «Tötet ihn! Tötet ihn!»
Faule Tomaten und Steine wurden in Richtung Bühne geworfen. Ein paar junge Männer wollten die Tribüne stürmen, und die Soldaten konnten sie nur mit Mühe zurückhalten. Der Tumult wurde immer größer. Drakar wechselte mit den Richtern ein paar beunruhigte Blicke, dann bedeutete er den Soldaten, Arlo vor der wutentbrannten Masse in Sicherheit zu bringen, bevor ihn die Leute auf offener Straße in Stücke reißen würden. Während ein ganzer Soldatentrupp den König zurück zum Gefängnisturm geleitete, wurde die Lage auf dem Platz in der Stadtmitte immer brenzliger. Sowohl die Richter wie auch Drakar hatten es auf einmal sehr eilig, von der Tribüne zu kommen, und überließen das Volk sich selbst. Es dauerte nicht lange, bis das absolute Chaos ausbrach.
Ein alter Prophet, in ein langes Gewand gehüllt, war auf die Bühne gestiegen und versuchte mit einer Handbewegung, um Aufmerksamkeit zu bitten. Als das nichts brachte, rief er: «Hört mir zu!», und winkte verzweifelt mit den Armen. «Ihr begeht einen großen Fehler! Unser König hat nichts getan, was den Tod verdient! Liebe Brüder, ich bitte euch: Kommt zur Vernunft! Was ist, wenn Arlo Recht hat? Wenn diese Mauer tatsächlich zu unserem Schutz ist?»
«Macht Ihr Witze?», schrie eine Frau aus der Menge. «Seit sieben Jahren sind wir hier drin gefangen, innerhalb der Mauer, die ihr Propheten für ihn gebaut habt!»
«Ja! Ihr habt uns das alles eingebrockt!», brüllte jemand von der anderen Seite.
Auf einmal war die aufgebrachte Meute nicht mehr zu bändigen. Sie stürzten sich auf die inzwischen unbewachte Tribüne und rissen den alten Propheten davon herunter. Gerade wollten sie damit beginnen, auf ihn einzuprügeln, als er seine Hände ausstreckte und in einem Umkreis von einer Armspanne die Zeit verlangsamte. Augenblicklich bewegten sich seine Angreifer nur noch in Zeitlupe, und die
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