Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
verstrich Minute um Minute und Stunde um Stunde. Die Schlange mit den wartenden Eltern schien kein Ende zu nehmen. Gegen Mittag hatten sich der König und die Königin bereits über dreihundert neugeborene Knaben angesehen, doch da war keiner unter ihnen, von dem sie den Eindruck hatten, es wäre der richtige, kein Einziger.
«Woher werden wir wissen, welches Kind wir wählen sollen?», hatte der König seine Gemahlin am Abend zuvor gefragt, als sie durch den Rosengarten ihres Palastes geschlendert waren. Die Königin war daraufhin stehen geblieben und hatte ihm mit ihrer zarten Stimme geantwortet:
«Wenn wir ihn sehen, werden wir es wissen, mein Liebster. Wir werden wissen, dass er es ist.»
Der Nachmittag verstrich, und noch immer war kein Baby zum Thronfolger auserkoren worden. Der Abend kam, und nur noch ein Dutzend Leute standen in der Reihe. Der König und die Königin waren müde. Sie hatten aufgehört zu zählen, wie viele Neugeborene sie in den Armen gehalten hatten. Das letzte Kind wurde ihnen gereicht. Es war genauso süß wie alle anderen vor ihm. Aber wieder schüttelte die Königin den Kopf.
«Er ist es nicht», meinte sie erschöpft.
«Meine Liebste», sagte der König und neigte sich zu ihr hinüber. «Es sind keine Kinder mehr da, aus denen wir wählen könnten.»
Die Königin seufzte. «Wir werden ihn finden, mein Gemahl. Ich weiß es. Habt Geduld. Gott wird ihn zu uns bringen. Das spüre ich.»
Die Sterne funkelten von einem klaren Himmel, als der König und die Königin an diesem Abend in ihren Palast zurückkehrten. Erschöpft von dem langen Tag legten sie sich schlafen. Doch mitten in der Nacht schreckte die Königin auf und weckte ihren Mann.
«Was ist, meine Liebste?», murmelte der König und rieb sich schlaftrunken die Augen.
«Ich habe von ihm geträumt», flüsterte die Königin aufgeregt. «Ich weiß seinen Namen.»
«Wessen Namen?», erwiderte der König müde.
«Den Namen unseres Sohnes, den Namen des Erben unseres Thrones. Sein Name ist Arlo.»
«Arlo», wiederholte König Kyros, und kaum hatte er den Namen ausgesprochen, da klopfte es an die Tür.
«Eure Hoheit», drang die hektische Stimme eines Dieners durch das schwere Holz. «Eure Hoheit! Bitte wacht auf!»
«Was ist denn los?», brummte der König in Richtung Tür. «Es ist mitten in der Nacht.»
«Entschuldigt die späte Störung, Eure Hoheit», sagte der Diener draußen auf dem Korridor atemlos. «Aber wir haben etwas auf der Türschwelle des Palastes gefunden. Ein Kind!»
«Ein Kind?!», rief die Königin begeistert. Eilends sprang sie aus dem Bett und warf sich ihren seidenen Morgenmantel um die Schultern. Ihr Gemahl setzte sich mit zerzaustem Haar auf die Bettkante, und die Königin half ihm beim Aufstehen.
«Tretet ein!», ordnete der König an, worauf die beiden Flügeltüren des Schlafgemachs aufflogen und ein junger Diener, völlig außer Puste, eintrat und sich fast bis zum Boden verneigte.
«Wo ist es?», fragte die Königin ungeduldig.
«Der Nachtpförtner hat es gefunden. Es wird jeden Moment hier sein, Eure Hoheit.»
«Warum haben die Eltern es nicht zum Tempel gebracht?», wunderte sich der König und band gähnend den Gürtel seines Morgenmantels zu.
«Wir wissen nicht, wer seine Eltern sind, Eure Hoheit», sagte der Diener und verbeugte sich erneut.
«Was wollt Ihr damit sagen?», fragte die Königin.
«Nun, das Kind lag offenbar einfach da. In einem geflochtenen Korb. Der Pförtner weiß nicht, wer es hergebracht hat. Er hat niemanden gesehen.»
«Merkwürdig», brummte der König und versuchte sein widerspenstiges Haar mit den Händen zu glätten.
In diesem Augenblick stürmten mehrere Diener und Mägde herbei und blieben in gebeugter Haltung vor dem Schlafgemach stehen. Eine Magd hielt ein Bündel in ihren Armen. Es war ein Kind, in Windeln gewickelt. Die Königin eilte mit klopfendem Herzen auf die Magd zu, nahm das Baby entgegen und drückte es an ihre Brust. Es war ein entzückender kleiner Junge, und er sah die Königin mit großen blauen Augen erstaunt an. Dann begann er freudig zu quietschen und zu strampeln und streckte seine kleinen patschigen Händchen nach Königin Keyla aus. Diese küsste zärtlich seine Fingerchen. Ihr wurde ganz warm ums Herz.
«Arlo», murmelte sie, worauf der Kleine ihr ein bezauberndes Lächeln schenkte. Sie küsste ihn sanft auf die Stirn und legte den Jungen dann in des Königs Arme. «Er ist es», sagte sie, zu ihrem Gemahl gewandt, der den Knaben
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