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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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Schreibtisch. Es war etwa so groß wie meine Hand, die farbige Zeichnung einer Frau mit welligem blonden Haar, blauen Augen und einem Mund, der den Anflug eines Lächelns zeigte. Sie strahlte etwas aus, das in mir Erinnerungen an Wälder und würzige frische Luft nach einem Frühlingsregen heraufbeschwor, wahrscheinlich deswegen, weil sie eine Blumenkrone trug. »Ist sie das?«
    »Ja«, erwiderte eine neue Stimme. Sie klang zwar tiefer als früher, aber ich hätte sie überall erkannt.
    Er stand mir gegenüber, am anderen Ende des Zimmers. Weder war er formell gekleidet noch trug er seine Krone, was mich irgendwie verblüffte, obwohl ich wusste, dass diese Krone zu schwer und unbequem war, als dass er sie bei anderen als offiziellen Anlässen aufsetzte. Ich
hatte wohl erwartet, ihn königlicher auftreten zu sehen, in der Art seines Vaters. Doch er sah immer noch so ähnlich aus, wie ich meinen alten besten Freund Phil in Erinnerung hatte.
    Phil. Und jetzt König Philipp , du lieber Himmel!
    Als wir beide vierzehn Jahre alt gewesen waren, hatte er mich im Wachstum überflügelt, und ich hatte ihn nie wieder eingeholt. Sein Haar war kurz geschnitten und an den Schläfen leicht ergraut, wirkte aber immer noch jungenhaft zerzaust, was die Mädchen zu meinem Leidwesen stets zu Seufzern hingerissen hatte. Mittlerweile hatte er einen Oberlippenbart, ebenfalls schon ein bisschen grau, und tiefe Falten an den Augenwinkeln. Aber er war nicht dick geworden und bewegte sich immer noch elegant.
    »Schenk mir doch bitte auch so einen Scharfen ein, Emerson«, sagte er, ohne den Blick von mir zu wenden.
    »Selbstverständlich, Eure Majestät«, erwiderte Emerson.
    Ich stellte das Porträt zurück auf den Schreibtisch. »Nicht übel«, bemerkte ich. »Nicht ganz so niedlich wie die kleine Danner, hinter der du her warst, als wir beide vierzehn waren, aber ganz und gar nicht übel.«
    »Das Bild wird ihr nicht gerecht«, meinte Phil. Er ließ sich von Wentrobe das Glas Rum reichen, leerte es halb und rang sich zu einem leichten Lächeln durch. »Weißt du noch, wie wir aus dem Weinkeller deines Vaters diese Flasche mit dem scharfen Gesöff geklaut und im Wald geleert haben? Und danach haben wir versucht, uns unauffällig nach Hause zu schleichen.«
    »Ja. Mittlerweile vertrag ich so was allerdings besser.«
    »Ich auch.« Jetzt war sein Grinsen echt. Die kühle Maske war wie weggewischt, und dahinter erkannte ich wieder meinen alten Kumpel Phil. Den Phil, der mir einst auf den Schoß gekotzt, mich mit seiner Schwester verkuppelt, mir das Kartenspielen beigebracht hatte und der schlechteste Tänzer gewesen war, den ich je gesehen hatte. Auch in mir löste sich etwas, sodass ich auf ihn zuging. Lange und ungestüm umarmten wir einander, was uns früher sehr peinlich gewesen wäre. Der Ansturm von Gefühlen, die ich bisher tief in meinem Inneren vergraben hatte, drohte mich zu überwältigen – mühsam hielt ich sie im Zaum. Lachend trennten wir uns irgendwann, und er sagte: »Du riechst ja wie ein Tümpel.«
    »Da, wo ich jetzt lebe, ist seit zwei Wochen alles überschwemmt. Aber du duftest so lieblich wie ein Blumenstrauß.«
    »Das kommt vom Baden , wie man das hierzulande nennt. Alle Kinder kennen das. Also, wie war die Reise? Gab es irgendwelche Probleme?«
    »Nein, schließlich hast du deinen überaus loyalen Vaterlandsdiener nach mir ausgeschickt.«
    Phil nickte. »Ja, er ist wirklich ein guter Mann, das ist mir schon vor längerer Zeit aufgefallen.« Er leerte sein Glas und ließ sich von Wentrobe nachschenken. »Also gut, du hast jetzt die Wahl. Entweder wir trinken erst mal was und schwelgen in Erinnerungen, oder ich rücke gleich damit heraus, warum ich mich unbedingt mit dir treffen wollte.«
    »Wieso erzählst du mir nicht, was dir auf der Seele liegt, während wir was trinken?«
    »Gute Idee.« Er deutete auf einen gut gepolsterten Sessel
mit hoher Rückenlehne, in den ich mich hineinsinken ließ, während er sich auf die Schreibtischkante setzte und nach dem Porträt seiner Frau griff. »Du bist nicht zur Hochzeit gekommen.«
    »War leider anderweitig beschäftigt.« In Wirklichkeit war ich allen Nachrichten aus Arentia so erfolgreich aus dem Weg gegangen, dass ich erst achtzehn Monate nach seiner Hochzeit von der Eheschließung erfuhr.
    »Na ja, egal, ist ja sowieso schon sechs Jahre her. Wir wollten von Anfang an Kinder, aber es hat ein Weilchen gedauert. Im vorigen Jahr haben wir dann endlich einen Sohn bekommen.« Er

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