Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
wieder«, forderte Anders den Mann gelassen auf. »Hat man dem König unsere Ankunft gemeldet?«
»Ja, mein Herr. Er erwartet Euch in seinem Arbeitszimmer.«
»Sehr gut.«
Der Soldat, der uns eingelassen hatte, beeilte sich, die andere Tür zu öffnen.
Ich geriet ins Schwitzen und meine Hände zitterten, als wir den Flur entlanggingen, in dem mir jeder Ziegelstein und jeder Wandteppich vertraut waren. Er führte zu den Privatgemächern der königlichen Familie, und man gelangte nur durch die Sicherheitstür hinein, die wir soeben passiert hatten. Oder durch eine der beiden Geheimtüren, von denen nur die königliche Familie und ihre engsten Freunde wussten.
Nachdem wir die große Doppeltür am Ende des Flurs erreicht hatten, ging sie auf Anders’ Klopfen hin ein Stückchen auf und gab den Blick auf einen weißhaarigen Mann mit buschigen und immer noch dunklen Augenbrauen frei, der uns eingehend musterte.
»Hab ihn mitgebracht«, war alles, was Anders sagte. Er trat einen Schritt zur Seite.
Mit zusammengekniffenen Augen sah der Alte mich an. Selbstverständlich kannte ich ihn: Emerson Wentrobe war schon seit sechzig Jahren Berater der Könige von Arentia – der Einzige in der Regierung, der alles und jeden
überdauert hatte. Manche unwissenden Schwätzer bezeichneten ihn gern als »graue Eminenz« hinter dem Thron. Wir anderen wussten jedoch, dass sein Rat zwar oft gefragt war, er aber niemals die letzte Entscheidung traf. Zumindest war es beim vorherigen König so gewesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Phil es anders hielt.
Bei meiner letzten Begegnung mit Wentrobe war dieser »erst« vierzig Jahre lang Berater des Königs gewesen. Damals war sein Haar nur leicht ergraut, nicht schlohweiß wie jetzt. Doch seine Augen waren noch so scharf wie eh und je. »Der junge Herr Edward«, begrüßte er mich.
»Bin nicht mehr so jung«, erwiderte ich und bot ihm meine Hand.
»Und ich noch nicht vergreist«, gab er grinsend zurück. Sein Händedruck war nach wie vor fest, wenn auch nicht mehr so schmerzhaft, wie er mir in meiner Jugend vorgekommen war.
Er trat zur Seite, und diesmal gab ich Anders einen Wink vorauszugehen. Doch er schüttelte den Kopf. »Ich soll dich nur abliefern. Hier verabschiede ich mich. War mir ein Vergnügen, mit Euch zu reisen, Baron LaCrosse.«
Ich zuckte leicht zusammen. Es war das erste Mal überhaupt, dass jemand mich mit diesem Adelstitel ansprach. »Was soll’s – für dich bin ich immer noch Eddie«, erwiderte ich. »Danke für alles, Micha.«
SECHS
W entrobe sperrte die Tür ab, nachdem Micha gegangen war. Das Arbeitszimmer war mit all dem Gold und Glanz ausgestattet, die man bei einem Gold und Glanz ausgestattet, die man bei einem König erwarten durfte, doch im Augenblick waren wir noch allein. Ich stellte meine Satteltaschen neben der Tür ab und hängte meine Jacke an der Garderobe auf. Meine schäbige Kleidung war mir in dieser Umgebung überaus peinlich.
»Möchtet Ihr etwas trinken?«, fragte Wentrobe und ging zu dem kleinen Schanktisch hinüber.
»Ja, gern. Rum, falls welcher da ist.«
»Selbstverständlich.« Während Wentrobe mir einschenkte, sah er mich an. »Offenbar habt Ihr Euch mittlerweile an harte Arbeit gewöhnt.«
»Tja, wer hätte das gedacht, nicht wahr?« Dankbar nahm ich den Becher entgegen. »Also … Wie steht’s hier derzeit?«
Wentrobe nippte an seinem Getränk. »Wie viel wisst Ihr?«
»Ich weiß nur das, was Anders mir mitgeteilt hat und was ich unterwegs an Klatsch und Tratsch aufgeschnappt habe. Demnach ist Phil einer geheimnisvollen schönen Frau begegnet, hat sich mit ihr vermählt, und jetzt nimmt
jeder an, dass diese Frau das gemeinsame Kind getötet hat.«
Er nickte. »Stimmt. Das glauben alle. Jedenfalls fast alle.«
»Und ist das auch die Wahrheit?«
Er zuckte heftig mit den Achseln. »Ihr Sohn ist tot, so viel steht fest. Und man hat die Königin mit dem Leichnam in einem verriegelten Raum gefunden – besudelt mit Blut, das nicht ihr eigenes war. Das sind die einzigen Tatsachen, die wir alle für bewiesen halten.«
»Also hat die Königin den kleinen Prinzen ermordet?«
Er nickte und schenkte sich nach. »Das scheint die einzige logische Erklärung zu sein.«
»Aber Phil glaubt es nicht.«
Er blickte auf seinen Becher. »Nein«, sagte er mit so schwerer Stimme, wie es nur ein vom Leben ernüchterter alter Mann vermag. »Nein, er glaubt es nicht.«
Ich nahm ein gerahmtes Porträt von dem ausladenden
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